Der “Corona-Tausender” für SystemerhalterInnen kommt nicht mehr
Die Regierung stellte in der Corona-Krise einen Bonus für SystemerhalterInnen in Aussicht. Nun sagt sie zu MOMENT, dass sie den schon für erledigt betrachtet.
Österreich im März dieses Jahres: Täglich beginnen die Abendnachrichten damit, die erneut gestiegene Zahl an positiv auf das Coronovirus getesteten Personen zu vermelden, dazu die Zahl der Menschen, die gestorben sind oder intensivmedizinisch behandelt werden müssen. „Bleiben Sie zuhause! Treffen Sie niemanden!“, appelliert Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Doch viele können das gar nicht, von vielen wird anderes verlangt: Sie sitzen weiter Tag für Tag an den Supermarktkassen, pflegen weiter alte Menschen und erkrankte Personen oder fahren Essen aus. Dafür gibt es abendlichen Applaus aus Fenstern und von Balkonen, manchmal sogar spontane Konzerte.
Menschen, die unsere Gesellschaft am Laufen halten, sind nicht immer auch die, die den größten Bonus bekommen.
Sebastian Kurz, 27. April 2020
Auch Kurz lobt die SystemerhalterInnen und verspricht Ende April: „Egal ob Pflegepersonal, Sicherheitskräfte, Supermarktmitarbeiter oder viele andere – wer hart arbeitet, soll künftig mehr zum Leben haben.“ Das sei eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Und: Kurz stellt fest, „dass die Menschen, die unsere Gesellschaft am Laufen halten, nicht immer auch die sind, die den größten Bonus ausbezahlt bekommen“.
Nun, zweieinhalb Monate später, lässt sich sagen: Er hatte recht! In der Coronavirus-Pandemie waren die SystemerhalterInnen wieder nicht die, die den größten Bonus erhalten haben.
Kogler im Mai: Regierung tüftelt am Corona-Tausender
Dabei hatte Vizekanzler Werner Kogler noch Anfang Mai davon gesprochen, die Regierung tüftle am sogenannten Corona-Tausender für SystemerhalterInnen. Die Gewerkschaften hatten diesen Bonus Mitte April vorgeschlagen und eine Petition dazu gestartet, die 140.000 Mal unterschrieben wurde. „Die Frage ist, wie macht man das, dass es gerecht ist“, sagte Kogler und kündigte an, mit den Sozialpartnern darüber zu sprechen. Danach passierte: nichts! Weder Kanzler noch Vizekanzler erwähnten den „Corona-Tausender“ oder einen ähnlichen Bonus für SystemerhalterInnen noch einmal.
Der Gewerkschaftsbund wundert sich: „Wir hatten angenommen, dass so etwas kommen wird, auch aufgrund des immer wieder geäußerten öffentlichen Dankes der Bundesregierung“, sagt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian zu MOMENT. „Jetzt gibt es keinerlei Reaktionen mehr darauf.“
Jene gezielt belohnen, die sich dem Infektionsrisiko und der Ungewissheit ausgesetzt haben und rausgegangen sind.
Wolfgang Katzian, Präsident ÖGB
Dabei gehe es bei einem solchen Bonus darum, jene gezielt zu belohnen, „die sich dem Infektionsrisiko und der Ungewissheit ausgesetzt haben und rausgegangen sind, um Österreich am Laufen zu halten“, sagt Katzian. Auf die Personen also, auf die es auch wieder ankommen wird, sollten die Ansteckungszahlen erneut in die Höhe schnellen und ein zweiter Lockdown notwendig werden.
Finanzministerium im Juli: Bonus ist kein Thema mehr
MOMENT fragte in Ministerien nach, ob Österreichs Regierung noch über einen Bonus für SystemerhalterInnen nachdenkt. „Das ist bei uns kein Thema“, sagt Johannes Pasquali, Sprecher von Finanzminister Gernot Blümel. Das Bundeskanzleramt von Sebastian Kurz antwortet nicht. Rudolf Anschobers Sozialministerium verweist freundlich an das Büro des Vizekanzlers. Und dessen Sprecherin Gabriele Zornig sagt zu MOMENT: „Ja, Werner Kogler hat Anfang Mai die Forderung nach einem ‚Corona-Tausender‘ inhaltlich aufgegriffen und angekündigt, dass die Regierung an etwas ähnlichem arbeitet.“ Mittlerweile sei das auch schon präsentiert und beschlossen worden.
Etwas Ähnliches? Das ist für Österreichs Regierung das, was vor zwei Wochen im Nationalrat als Konjunkturpaket beschlossen wurde: Der Eingangssteuersatz wird von 25 auf 20 Prozent gesenkt, was übrigens ab 2021 sowieso eingeführt hätte werden sollen. Dazu gibt es eine einmalige Negativsteuer von 100 Euro für GeringverdienerInnen. Ebenso einmalig wird die Familienbeihilfe um 360 Euro pro Kind erhöht. Personen, die zwischen Juli und September arbeitslos sind, erhalten jedes Monat 150 Euro extra, insgesamt also höchstenfalls 450 Euro.
Schwächere und mittlere Einkommen profitieren. Viele darunter gehören der Gruppe der SystemerhalterInnen an.
Büro von Vizekanzler Werner Kogler
Kaum jemand wird all diese Boni bekommen, aber Koglers Büro geht davon aus, „dass vor allem schwächere und mittlere EinkommensbezieherInnen profitieren. Viele darunter gehören aus unserer Sicht eben genau der Gruppe der SystemerhalterInnen an.“
Nun lässt sich darüber streiten, ob „vor allem“ schwächere und mittlere Einkommen vom Konjunkturpaket profitieren. Das Momentum Institut analysierte das Paket: Die Personen im unteren Einkommensfünftel werden nur relativ stärker entlastet: nämlich um 2,74 Prozent gegenüber knapp einem Prozent bei HöchstverdienerInnen. In absoluten Zahlen – und die gelten beim Einkauf an der Kassa – haben HöchstverdienerInnen am meisten davon. Sie bekommen unterm Strich monatlich 42 Euro mehr. Die Personen im unteren Einkommensfünftel erhalten dagegen nur 15 Euro zusätzlich.
SystemerhalterInnen sind bei Konjunkturpaket nur mitgemeint
Außerdem: Mit dem Konjunkturpaket sind die SystemerhalterInnen nur mitgemeint. Sie profitieren von der Steuerentlastung genauso viel oder wenig wie ArbeitnehmerInnen, die ins Home Office oder in Kurzarbeit geschickt worden sind. Praktisch profitieren sie davon wohl eher unterdurchschnittlich. Schließlich bekommen viele von ihnen auch unterdurchschnittlich niedrige Gehälter. Der Bonus für Arbeitslose betrifft sie nicht. Und Supermarktkassiererinnen oder Krankenpfleger, die zufällig keine Kinder haben, haben von einer zusätzlich ausgezahlten Familienbeihilfe auch nicht so viel.
Das Konjunkturpaket entlastet ArbeitnehmerInnen, GeringverdienerInnen und Familien. Ein besonderer Dank und Bonus für „Menschen, die unsere Gesellschaft am Laufen halten“, wie ihn Kurz und Kogler in Aussicht stellten – ein “Corona-Tausender” eben – ist es aber eben gerade nicht.
#In eigener Sache
MOMENT arbeitet unabhängig von großen Konzernen, Parteien, MilliardärInnen und Banken, aber immer im Interesse und aus der Sicht der Vielen, die es sich nicht so einfach richten können. Um unsere Arbeit finanzieren zu können, brauchen wir dafür auch die Hilfe der Vielen. Auf je mehr Schultern wir uns dabei stützen können, umso mehr ist unsere unabhängige Arbeit gesichert. Wenn du es dir gerade leisten kannst, unterstütze uns doch bitte. Ob groß oder klein, einmalig oder monatlich – jeder Beitrag hilft.