Klimakrise

Wie die extreme Hitze zum Kulturkampf gemacht wird

Es ist Sommer. Es ist heiß. Es ist zu heiß. Während sich die Horrormeldungen überschlagen, feiert die extreme Rechte demonstrativ die extreme Hitze. Sie macht sie zum Kulturkampf. Natascha Strobl analysiert.

Die Leugnung bzw. Relativierung der Klimakrise gehört zum Standard-Repertoire der extremen Rechten. Die Klimakrise gebe es gar nicht und wenn es sie gibt, dann sei sie gar nicht so schlimm.

In Anbetracht der Wirklichkeit, die alle Menschen immer mehr spüren, fühlen und sehen, führt das zu einer kognitiven Dissonanz, die schwer aufzulösen ist. Die letzte Flucht ist der Kulturkampf. Und das wird immer bizarrer.


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Extremwetter-Ereignisse werden zum idealen Sommerwetter

Da gibt es die Kulturkampf-Linie, auf der extreme Hitze als ideales Sommerwetter gedeutet wird. Die (nicht mal für eine Deutsche lustige) Comedian Monika Gruber schwärmt demonstrativ von Temperaturen über 40 Grad und bekommt dabei Unterstützung vom (selbst für einen Österreicher gescheiterten) Politiker HC Strache. Es wird eine Vergangenheit behauptet, in der die Sommer der eigenen Kindheit genauso heiß waren wie der jetzige.

Das ist selbstverständlich falsch. Abseits von einzelnen Spitzen gab es keine Höchsttemperaturen an die 40 Grad in Mitteleuropa. Es ist viel zu heiß für die Jahreszeit. Alle wissen, was das heißt: Schlecht für die Tiere, schlecht für die Pflanzen, schlecht für die Ernte, schlecht für die Bauern, schlecht für die Wirtschaft und vor allem schlecht für die Menschen, die der Hitze nicht entkommen können.

Das sind Menschen, die eine reale Arbeit haben und körperlich beansprucht werden. In der Seevilla am Schreibtisch mit Klimaanlage lässt es sich vielleicht leicht spotten. Andere Menschen arbeiten auf Baustellen oder in Krankenhäusern. Oder sie wohnen in kleinen städtischen Wohnungen, die viel zu heiß werden. Besonders gefährdet sind alte Menschen, Schwangere, Kinder, Menschen mit chronischen Krankheiten und arme Menschen, die schlechter wohnen als Vermögende. Der Spott der reichen, rechten Kulturelite richtet sich nach unten gegen die weniger Privilegierten. 

Klimaanlage gut, Wärmepumpe böse

Eine weitere amüsante Kulturkampf-Linie ist die Lobpreisung der Klimaanlage – bei gleichzeitiger Verteufelung der Wärmepumpe. Vor allem in der US-amerikanischen Rechten spottet man Richtung Europa: Man müsse halt einfach überall Klimaanlagen einbauen, dann funktioniert das auch mit den Extremtemperaturen.

Besonders die Hitzewelle in Großbritannien führte hier zu viel Spott. In Großbritannien sind Temperaturen um die 30 Grad Extremtemperaturen und führen zu vielen Ausfällen und gesundheitlichen Belastungen. Der Grund dafür liegt auch in der hohen Luftfeuchtigkeit, die zusammen mit höheren Temperaturen insgesamt zu unwirtlichen Bedingungen führt.

Klimaanlagen sind die Antwort der Kulturkampf-Rechten. Die sind in einem nordwesteuropäischen Land aber logischerweise kein Standard – weil diese Temperaturen bis vor kurzem kein Standard waren. Das ganze öffentliche Leben in Großbritannien ist eben nicht auf Temperaturen wie in Arizona ausgerichtet, aus demselben Grund, warum in Arizona nicht das Skifahren erfunden wurde: Die Bedingungen geben es nicht her. Das ist wahrlich nicht schwer zu verstehen. Der Hype um die Klimaanlage erreichte schnell die deutschsprachige Kulturkampf-Rechte. 

Das entbehrt nicht einer großen Ironie: Eine Klimaanlage ist de facto eine Wärmepumpe. Sie funktioniert nach exakt demselben Prinzip: Wärme wird aus einem Raum angesaugt und in einen anderen abgegeben. Während die Wärmepumpe (die zum Heizen) aber vor allem in Deutschland jetzt jahrelang kulturkämpferisch bekämpft wurde, ist die Klimaanlage die Antwort auf alles. Es zeigt sich, wie beliebig und ohne jede Grundlage Kulturkämpfe funktionieren. 

Sonnencreme das neue Impfen

Eine neue Nischenform des Kulturkampfs betrifft die Sonnencreme. Sie bekommt dieselbe Funktion wie das Impfen. Wenn “die da oben” sagen, dass es gesund ist, dann macht man es demonstrativ nicht. Sehr schlau wird dann über die sozialen Netzwerke ventiliert, dass man sich und seine Kinder nicht einschmiert, weil dies das Sommergefühl stören würde.

Sonnencreme, Schatten, Kapperl und viel Trinken sind seit Jahrzehnten die unumstrittensten Sommertipps überhaupt. Das beugt nicht nur Sonnenbrand und Hautkrebs vor, sondern auch einem Sonnenstich und potenziell schlimmen Folgen. Selbst “nur” ein Sonnenbrand kann zu irreversiblen gesundheitlichen Folgen führen, aber auch die Haut altert schneller und rein aus kosmetischer Sicht wird sich das Kind in einigen Jahrzehnten nicht freuen, ohne Schutz in die pralle Sonne gelassen worden zu sein.

Hitze ist eine reale Gefahr

Das klingt alles absurd und ist es auch. Man darf aber nicht vergessen, dass Hitze eben nicht einfach super schönes Wetter ist, sondern schlechtes Wetter. Die WHO zählte für 2022 insgesamt 15.000 Hitzetote in Europa. Im Jahr 2024 waren es 3000 in Deutschland und laut österreichischem Gesundheitsministerium 486 in Österreich. So witzig und nostalgisch ist das gar nicht.

Wie schon beim Impfen propagiert die extreme Rechte aus einer Mischung aus Trotz, überpriviligierter Wohlstandsverwahrlosung, Sozialdarwinismus und faschistischem Enthusiasmus, Gesundheitsschäden und Tod derer, die es sich nicht selbst richten können. 


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