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Klimakrise

Appell an die ÖVP: Spielt Landwirtschaft und Klimaschutz nicht gegeneinander aus

Appell an die ÖVP: Spielt Landwirtschaft und Klimaschutz nicht gegeneinander aus
Unter ÖVP, SPÖ und NEOS soll es kein Klimaministerium mehr geben. Foto: Parlamentsdirektion/Thomas Topf, PHOTO SIMONIS,
Es wird kein Klimaministerium mehr geben. Umwelt- und Klimaschutz wandert in das ÖVP-geführte Landwirtschaftsministerium. Keine gute Idee, kommentiert Lisa Wohlgenannt.

Unter Türkis-Grün gab es erstmals ein eigenes Klimaministerium – das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie – geführt von Leonore Gewessler (Grüne). Das hatte nicht nur eine wichtige symbolische Wirkung, sondern war auch inhaltlich sinnvoll. Die Felder sind eng miteinander verwoben und vereint in einem Ministerium kann effizient an Lösungen gearbeitet werden. 

Klimaministerium zerschlagen

Damit ist es nun vorbei. ÖVP, SPÖ und NEOS haben das Klimaministerium zerschlagen. Klima- und Umweltschutz wandern in das ÖVP-geführte Landwirtschaftsministerium (Ministerium für Regionen, Mobilität, Klima, Landwirtschaft und Sport). 

Ja, Landwirtschaft und Klimakrise sind eng verwoben. Landwirt:innen leiden besonders unter der Klimakrise. Extremwetterereignisse wie Dürren, Waldbrände, Hagel, Regen und Hochwasser gefährden die Ernten. Gleichzeitig hat die Landwirtschaft einen starken Einfluss auf Natur und Klima: Landwirt:innen bewirtschaften Wiesen, Wälder und Böden. Als CO2-Speicher sind das wichtige Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise. Tierische Lebensmittel verursachen wiederum große Mengen CO2. 

ÖVP spielt Landwirtschaft gegen Klimaschutz aus

Das Problem: Die ÖVP könnte versuchen, vermeintlich unterschiedliche Interessen gegeneinander auszuspielen. Da die Landwirt:innen zu den ÖVP-Wähler:innen zählen, dürfte deren Sicht wohl bevorzugt werden. Wenn wir an das Renaturierungsgesetz auf EU-Ebene zurückdenken, ist die Sorge durchaus berechtigt, dass das passiert. 

Kurze Erinnerung: Das Renaturierungsgesetz gilt als eines der wichtigsten Umweltschutzgesetze. Es soll dem Artensterben entgegenwirken und Anpassungen an die Erderhitzung sowie Schutz vor Naturkatastrophen gewährleisten. Die ÖVP machte mit teilweise absurden Falschnachrichten Stimmung gegen das wichtige Gesetz.

So behaupteten Vertreter der Volkspartei, das Gesetz gefährde unsere Ernährungssicherheit, weil weniger Fläche für die landwirtschaftliche Produktion zur Verfügung stehe. Die größte Gefahr für die Lebensmittelsicherheit sind allerdings die Folgen der Erderhitzung und das Artensterben. Also genau die Dinge, vor denen das Gesetz uns schützen soll. Solche Falschinformationen machten Tausende Wissenschaftler:innen in einem offenen Brief deutlich. Mit Fakten kämpften sie gegen die Desinformationskampagne der Konservativen. 

Andere Behauptungen: Reinhold Lopatka, damaliger ÖVP-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl, warnte, dass “Bauern Schmetterlingszählungen vornehmen müssen”. Davon war in der Verordnung schon damals keine Rede. Auch die beschworenen Enteignungen standen nicht im Gesetzesentwurf – im Gegenteil. Enteignungen wurden und werden explizit ausgeschlossen. 

Wir alle brauchen Klimaschutz

Durchaus berechtigte Bedenken und Fragen fanden und finden in einer solchen Debatte keinen Platz mehr. Vermeintliche Interessen der Landwirt:innen wurden genutzt, um gegen Klima- und Umweltschutz Stimmung zu machen. Es wurde das Bild geschaffen, dass die Interessen der einen völlig im Widerspruch zu denen der anderen stünden. Dabei haben wir alle Interesse daran, dass unsere Lebensgrundlage geschützt wird. Und wir sind auf keinem guten Weg.

2023 warnten Wissenschaftler:innen im IPCC-Bericht, dass wir mit den bis 2020 umgesetzten Klimaschutzmaßnahmen auf eine mittlere Erderhitzung von 3,2 Grad bis 2100 zusteuern. Drei Grad Erderhitzung bedeuten Überschwemmungen, Brandkatastrophen und katastrophale Dürren mit Millionen von Toten, Finanzkrisen, militärische und innerstaatliche Konflikte sowie neue Krankheitsausbrüche, warnen Expert:innen. Und auf drei Grad steuern wir zu, wenn die bisherigen Maßnahmen fortgesetzt werden. Gerade passiert weltweit das Gegenteil.

2024 war das erste Jahr, in dem wir die wichtige 1,5-Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit überschritten haben. Im selben Jahr wehrte sich die ÖVP gegen das Renaturierungsgesetz und wollte das “Verbrenner-Aus” auf EU-Ebene stoppen. Im Wahlkampf wurde so gut wie nicht über das Klima gesprochen. Genauso wenig in den USA, wo Donald Trump neuer alter Präsident wurde. Als solcher trat er erneut aus dem Pariser Klimaabkommen aus und will statt erneuerbarer Energie lieber fossile fördern. Auf EU-Ebene wird aktuell der Green Deal abgeschwächt.wahlkam Im vergangenen Wahlkampf in Deutschland wurde genauso wenig über das Klima gesprochen wie zuvor in Österreich. 

Regierungsprogramm zeigt: Klimaschutz hat keine Priorität 

Und das neue Regierungsprogramm lässt nicht auf allzu viel Besserung hoffen. Zwar sind gute und wichtige Maßnahmen darin enthalten: Die neue türkis-rot-pinke Regierung bekennt sich zu den EU-Klimazielen und will den Weg dahin mit einem Klimagesetz rechtlich verbindlich festschreiben. Der Bodenverbrauch soll sinken und eine Umwidmungssteuer für Grundstücke eingeführt werden. Das Programm überzeugt deswegen aber noch lange nicht. 

In vielerlei Hinsicht bleiben ÖVP, SPÖ und NEOS konkrete Pläne und Ziele schuldig. In anderen Bereichen sollen klimaschädliche Projekte wie der Lobautunnel fortgesetzt werden. Und eine Analyse des Momentum Instituts zeigt zusätzlich: Sieht man sich an, wo Geld gespart wird und wo es (weiter)fließt, sieht man, dass Klima- und Umweltschutz nicht die Priorität ist.

Klimabonus, gratis Klimaticket für unter 18-Jährige, weniger Abgaben für E-Autos sowie Umsatzsteuerbefreiung bei Photovoltaikanlagen: Gestrichen. Klimaticket, Förderung von Regional- und Privatbahnen, ÖBB-Finanzierung, Förderungen beim Kauf von E-Autos oder beim Heizkesseltausch und Kilometergeld für Fahrräder und Motorräder: Gekürzt. 

Die Klima- und Umweltförderungen sollen um knapp 500 Millionen sinken – ohne Klimabonus. Rechnet man das Aus des Klimabonus mit, werden die Klimaausgaben um etwa 2,5 Milliarden Euro zusammengekürzt – 55 Prozent des bisherigen Klimabudgets. Übrigens haben das FPÖ und ÖVP in den Verhandlungsgesprächen ausgetüftelt.

Klimaschädliche Subventionen wie steuerliche Vergünstigung für Diesel, Pendlerpauschale, Energieabgabenvergütung und LKW-Mautbefreiung auf Landesstraßen bleiben hingegen. 

Was am Ende dieses Textes bleibt, ist ein Appell: Dass nicht vermeintliche gegensätzliche Interessen gegeneinander ausgespielt werden, sondern dass unser aller Interesse an einer intakten Umwelt ernst genommen wird. In welchem Ministerium auch immer. 

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