Wie die “Herdprämie” der FPÖ vor allem Müttern schadet

Schwarz-Blau hat es schon einmal vorgemacht: In Oberösterreich gibt es seit 2004 einen Kinderbetreuungsbonus. Dabei bekommen Eltern – in den meisten Fällen: Mütter – mehr Kinderbetreuungsgeld, wenn sie ihre Kinder nicht in Betreuungseinrichtungen geben.
Die erklärte Idee dahinter: Eltern sollen mehr Wahlmöglichkeit haben. Wer länger beim Kind daheim bleiben will, soll sich das durch ein höheres Kinderbetreuungsgeld eher leisten können.
Diese “Wahlmöglichkeit” wird aber oft zur Falle. In keinem anderen Bundesland sind Frauen so häufig wegen Betreuungspflichten in Teilzeit wie in Oberösterreich. Und in keinem anderen Bundesland gibt es so wenige Kindergartenplätze, die Vollzeit-tauglich sind.

Die FPÖ plant jetzt, ein höheres Kinderbetreuungsgeld in einer Koalition mit der ÖVP bundesweit einzuführen. Was würde das bedeuten?
Die Pläne der FPÖ
Eltern sollen mehr Geld bekommen, wenn sie ihre Kinder zu Hause betreuen, anstatt sie in den Kindergarten zu bringen. Konkret soll das Kinderbetreuungsgeld auf die Höhe der Mindestsicherung angehoben werden. Dies soll es Eltern ermöglichen, länger bei ihren Kindern zu Hause zu bleiben.
Die genaue Dauer dieser erhöhten Zahlung ist nicht festgelegt, aber es wird angedeutet, dass sie bis zum verpflichtenden Kindergartenjahr gelten soll. Die Kinderbetreuung wird privat auf Mütter verlagert. Langfristig könnte das zu noch weniger Geld für den ohnehin schon schleppenden Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen führen.
Diese Maßnahme würde in der Praxis hauptsächlich Frauen betreffen. In Österreich übernehmen Mütter nach wie vor den Großteil der Kinderbetreuung. Die als „Herdprämie“ betitelte Idee könnte dieses ungleiche Verhältnis weiter verstärken und Frauen vom Arbeitsmarkt verdrängen und fernhalten.
Männer kaum betroffen
Nur 3,6 Prozent der Karenzgeld-Bezieher sind Väter. Die wenigen Väter, die Karenz nehmen, bleiben meist nur die gesetzlich vorgeschriebenen zwei Monate zu Hause. Lediglich 1 von 100 Vätern nimmt mehr als ein halbes Jahr Karenz. Damit ist Österreich in der EU Schlusslicht bei der Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung.

Die „Herdprämie“ der FPÖ würde Frauen wirtschaftlich und in ihrer finanziellen Unabhängigkeit dann weiter schwächen.
Das Problem zeigt sich in Studien. Längere Auszeiten vom Beruf erschweren den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben. Je länger Frauen zu Hause bleiben, desto schwieriger wird es, eine adäquate Stelle zu finden. Katharina Mader, Chefökonomin im MOMENTUM Institut, sagt: “Karenzzeiten bedeuten für Frauen auch immer massive finanzielle Einbußen, die dann selbst mit dem Wiedereinstieg nicht erledigt sind, sondern die auch noch 10- 12 Jahre danach enorm sind. Diese Einbußen holen die meisten Frauen in ihrem Leben nie wieder auf.”
Frauen sammeln langfristig weniger Beitragsjahre für ihre Pension, was das Risiko von Altersarmut deutlich erhöht. Im Durchschnitt erhalten Frauen in Österreich ohnehin schon deutlich niedrigere Pensionen als Männer. Der Vorschlag der FPÖ könnte diese Schere noch weiter öffnen.
Zudem fördert eine längere Abwesenheit vom Arbeitsmarkt die finanzielle Abhängigkeit vom Partner. Katharina Mader bestätigt: “Bei einer Scheidungsrate von 36 Prozent muss man sich doppelt überlegen, ob man sich wirklich finanziell vom Partner oder der Partnerin abhängig macht. Die Zahlen zeigen uns auch: Frauen haben ein viel größeres Risiko später in der Altersarmut zu landen, da spielen die Betreuungszeiten eine große Rolle.” Alleinerziehende Mütter gehören bereits jetzt zu den am stärksten von Armut betroffenen Gruppen in Österreich.
Beim Kind bleiben
Eltern möchten grundsätzlich Zeit mit ihrem Kind verbringen. Das ist auch gut so – wenn sie es wollen. Kinder profitieren aber vom Besuch von Kinderbetreuungseinrichtungen. Diese fördern nachweislich die frühkindliche Entwicklung und soziale Kompetenzen. Kinder profitieren von altersgerechten Bildungsangeboten und dem Kontakt mit Gleichaltrigen. “Für die Kinder wird völlig außer Acht gelassen, dass Kindergärten die erste Bildungseinrichtung sind. Ich würd gerne sehen, wann wir beginnen zu sagen, die Kinder müssen eh nimmer in die Schule, das machen schon die Mamas”, sagt Katharina Mader.
Studien zu Kindergartenbesuchen in Österreich zeigen, jedes zusätzliche Kindergartenjahr wirkt sich positiv auf die Bildung der Kinder aus. Die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass die Kinder eines Tages selbst erwerbstätig sind oder einmal höhere Stundenlöhne haben.
Was es statt der “Herdprämie” braucht
Finanzielle Anreize, die Eltern dazu bewegen, länger zu Hause zu bleiben, könnten Kindern diese wichtigen Erfahrungen vorenthalten. Besonders Kinder aus bildungsfernen Familien oder mit Migrationshintergrund profitieren vom frühen Kindergartenbesuch für ihre sprachliche und kognitive Entwicklung.
Statt einer „Herdprämie“ wäre es sinnvoller, in qualitativ hochwertige und leicht zugängliche Kinderbetreuung zu investieren. So hätten alle Kinder, unabhängig vom familiären Hintergrund, die besten Startchancen. Gleichzeitig würde dies Eltern echte Wahlfreiheit ermöglichen – zwischen Betreuung zu Hause oder der Nutzung von Bildungseinrichtungen, je nach individueller Situation der Familie.
Frauenbild der FPÖ: Zurück in die Vergangenheit
Warum verlang die FPÖ eine Herdprämie? Das hat vor allem ideologische Gründe. Unter dem Vorwand der “Wahlfreiheit” werden Frauen in das Rollenverständnis der FPÖ gedrängt. Das Verständnis greift auf die Idee der “guten, alten Zeit” zurück: die Kernfamilie aus Vater, Mutter und Kinder ist das Ideal. Der Vater ist dabei Ernährer, die Mutter kümmert sich um die Kinder.
Es ist weder ein verwerfliches, noch ein bedrohtes Familienbild. Die meisten Österreicher:innen leben in heterosexuellen Beziehungen mit Kind. Aber die FPÖ sieht keinen Platz für andere Lebensentwürfe. “Die Menschen wollen und brauchen keine Regenbogenfahnen, bunte Zebrastreifen, Ampelpärchen[…]”, schreibt etwa die FPÖ Oberösterreich. Gegen queere Menschen und sexuelle Aufklärung hetzt die Partei oft.
Sie fordert Wahlfreiheit – doch die bringt ein höheres Kinderbetreuungsgeld nicht. Sondern drängt Frauen aus dem Arbeitsleben. Ganz im Sinne der FPÖ – denn dann können sie sich ihrer “traditionellen” Rolle widmen. Das bedeutet vor allem: Kinder kriegen.
Auch die FPÖ ist nämlich sehr besorgt: “Die Politik muss handeln, um die Geburtenrate zu steigern und Familien zu unterstützen”, heißt es in einer Aussendung. Dass das mit voller Absicht vor allem an Frauen hängt, sieht man, wenn die Unterstützung zwischendurch in Form eines Gender-spezifische “Müttergehalts” als Idee durchrutscht. Sie sehen in niedrigen Geburtenraten auch eine Bedrohung der einheimischen Bevölkerung – und schüren Angst vor einem vermeintlichen “Bevölkerungsaustausch” – der freilich nicht existiert.
Beim erhöhte Kinderbetreuungsgeld der FPÖ geht es also nicht um Wahlfreiheit – sondern um Ideologie, die ein rechtskonservatives Weltbild besserstellen soll. Einer Ideologie, von der die ÖVP nicht weit entfernt ist. Der Vorschlag stößt bei der Partei bereits auf offene Ohren.