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Klimakrise

Wie eine neue Art von Carsharing unsere Autos ersetzen kann

Wie eine neue Art von Carsharing unsere Autos ersetzen kann

Öffis wie Bim, Bus und Bahn können nicht alle Ecken verbinden. Mit städtischem Carsharing können Autos diese Lücke füllen und selbst zum öffentlichen Verkehrsmittel werden.

Graz, die viel befahrene Eggenberger Straße, kurz vor 8: Eine Kolonne von Autos bildet einen alltäglichen Stau und wartet aufs Weiterfahren. Autos kleben Stoßstange an Stoßstange, Rauch dringt aus den Auspuffen, Leute schauen erleichtert beim Anfahren und grantig beim sofortigen, erneuten Stehenbleiben. Wer an Probleme mit dem Autoverkehr denkt, denkt an solche Bilder. Man kennt sie aus vielen Städten. Was viele übersehen: Eine noch größere Kolonne staut sich nicht auf den großen Hauptverkehrsadern, sondern auf den Parkplätzen. Ein durchschnittliches Privatauto steht 95 Prozent des Tages nur herum und wartet darauf, verwendet zu werden. Dabei verschwendet es Platz, Ressourcen, das Geld ihrer Besitzer*innen und der öffentlichen Hand.

Klassische öffentliche Verkehrsmittel – Bim, Bus, Bahn – machen bei effizienter Verkehrsplanung schon einen guten Job. Sie bringen mit dem Einsatz von viel weniger Mitteln viel mehr Menschen von A nach B. Aber nicht in jede Ecke kann dauernd eine gute Verbindung aufrechterhalten werden. An Stadträndern und dünn besiedelten Gebieten stoßen sie an ihre Grenzen.

Aber es gibt noch ein öffentliches Verkehrsmittel, das wir gerne übersehen: das Auto.

Carsharing statt Privatautos

Das Zauberwort heißt: Carsharing – sprich: das Teilen von Autos. Ein “öffentliches Auto” kann Lücken anderer Öffis schließen und sogar helfen, Autos von den Straßen zu holen – wenn das System richtig aufgezogen wird.

Besonders gut funktioniert kommunales Carsharing. Ein Beispiel dafür ist das Projekt „tim“ in Graz. tim ist ein öffentliches Projekt der Stadt, das den Verkehr verbessern soll. An vielen verschiedenen Punkten in und rund um Graz stehen Autos, die man sich jederzeit leihen kann.

Nach einer Testphase wertete die Stadt das Projekt aus und kam zu dem Schluss, dass 65 Prozent der tim-Mitglieder ihr Privatauto durch Carsharing ersetzten oder sich wegen des Angebots erst gar kein Auto anschafften. Ein einziges tim-Carsharing-Auto ersetzt laut Bericht 23 Privatautos.

 
Die Mitgliedkarte von tim

Ein tim-Carsharing-Auto ersetzt 23 Privatautos.

Menschen fahren weniger

Die Menschen, die tim benutzen, fahren sogar weniger. 1.500 Kilometer sparen tim-NutzerInnen im Vergleich zu Autobesitzer*innen ein. Das könnte daran liegen, dass man sich beim Carsharing überlegt, ob die Fahrt wirklich notwendig ist. Wer ein eigenes Auto hat, fährt vielleicht auch kurze Strecken, statt die Straßenbahn zu nehmen. Ein eigenes Auto ist vor allem in einer Stadt mit gut ausgebauten Öffis die teuerste Variante. Im Schnitt zahlten BesitzerInnen pro Monat 470 Euro.

Auch international zeigen Untersuchungen, dass Carsharing wirkt. Laut einer Studie von Shell halbierte sich die Zahl der angemeldeten Autos in US-Haushalten, nachdem die sich bei einem stationsbasierten Carsharing registriert hatten. In Bremen ersetzt das Projekt Cambio pro Carsharing-Wagen 15 Privatautos und ein weiteres Projekt in London immer noch 10,5.

Weniger Schadstoffe

Weniger Autos bedeuten weniger verbrauchte Ressourcen. Immerhin müssen so auch weniger Autos produziert werden. Zusätzlich wird aber auch Parkraum frei, den wir sinnvoller nutzen können als für stehende Autos. Für Straßenbahntrassen zum Beispiel oder für Gastgärten. Wenn Leute weniger fahren, sinkt auch  der Ausstoß an Schadstoffen laut einer Publikation des VCÖ um 240 bis 390 kg CO2 pro Person pro Jahr. Das wird dadurch verstärkt, dass viele Carsharing-Angebote E-Autos verwenden.

Günstig und gut für Umwelt

Weil die Stadt tim betreibt, ist sie nicht auf Profit angewiesen. Im Vergleich zu anderen Carsharing-Angeboten ist tim so auch deutlich billiger. Die erste Stunde kostet nur 4 Euro. Eine Stunde mit dem billigsten Auto mit „ShareNow“ in Wien ist mit mehr als 15 Euro in der ersten Stunde deutlich teurer. 

Das ist nicht der einzige große Unterschied: Private Anbieter wollen in letzter Konsequenz zum Autofahren anregen, weil sie Geld verdienen wollen. Das städtische Carsharing will hingegen eigentlich möglichste viele Autos von den Straßen bringen.

Carsharing als Erweiterung der Öffis

Das zeigt sich auch daran, wo die Carsharing-Autos stehen. Private Anbieter wie ShareNow setzen in Wien auf ein „freefloating“ System. Das heißt, die Autos können überall abgestellt werden. Es gibt keine fixen Stationen. Das kann dazu führen, dass sich Carsharing und Öffis „kannibalisieren“, sagt Michael Schwendinger, VCÖ-Experte für Mobilitätssicherung und Ökonomie. „Sie bieten im gut mit öffentlichem Verkehr und Radwegen erschlossenen Gebiet Tarife an, die auch Kürzest-Trips attraktiv machen.“ Statt ein paar Stationen mit der U-Bahn zu fahren, setzt man sich für weniger als 30 Cent pro Minute ins Auto.

Besser für Verkehr und Umwelt sind stationsgebundene Angebote wie tim. Die Autos stehen strategisch an Öffi-Haltestellen, um das Einzugsgebiet zu vergrößern und müssen auch wieder an die Station zurückgebracht werden. Die tim-Autos sind damit keine Alternativen, sondern eine Erweiterung des öffentlichen Verkehrs in jene Ecken, die etwa ein Bus nicht bedienen kann.

Carsharing ist auch am Land interessant

Auch ländliche Gebiete können von Carsharing profitieren. Gerade hat tim das eigene Angebot ins Grazer Umland ausgeweitet. “Gerade in den Regionen außerhalb der großen Ballungszentren gibt es ja deutlich mehr private Zweit- und Drittwagen, die durch ein gutes Carsharing-Angebot reduziert werden könnten“, sagt Schwendinger.

Allein in Niederösterreich gibt es mittlerweile über 100 Carsharing-Projekte und auch im Rest Österreichs tauchen mehr und mehr Projekte auf. Family of Power oder das Rail & Drive-Angebot der ÖBB zum Beispiel. Mo.Point in Wien unterstützt sogar beim Aufbau eigener Carsharing-Angebot für Unternehmen, Städte und Bauträger.

Zusammengefasst

Also was bringt Carsharing? Kurz: Mehr freien Raum in Städten und auch in kleineren Ortschaften, mehr Freiheit für mehr Menschen, weniger verbrauchte Ressourcen und weniger Gift in der Luft. Wichtig ist, dass die Angebote Öffis nicht ersetzen, sondern erweitern. Dann wird auch das Auto zum öffentlichen Verkehrsmittel.

 

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