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Arbeitswelt

Klassenkampf von oben: Wie Wirtschaftsminister Kocher bei Familien kürzen will

Martin Kocher ist Minister für Arbeit und Wirtschaft in Österreich Credit: Fohringer/APA
Wirtschaftsminister Kocher versucht seit Monaten der Öffentlichkeit Kürzungen von Sozialleistungen schmackhaft zu machen. Dazu bemüht er dreiste Narrative und Frames.

Es ist immer dasselbe bizarre Schauspiel: Unternehmen finden keine Arbeitskräfte, also müssen die potenziellen Arbeitnehmer:innen schuld sein. Dementsprechend muss bei ihnen angesetzt werden und müssen sie sanktioniert werden. Diese Kampagne gegen Arbeitnehmer:innen läuft nun schon seit einiger Zeit

Vor allem Vertreter:innen von Gastronomie und Hotellerie sind dreist genug, öffentlich zu beklagen, dass niemand für sie arbeiten möchte. Und deswegen solle etwa die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld gekürzt werden. Ohne einen Funken Selbstreflexion sucht man die Schuld an dem Umstand, dass man keine Arbeitskräfte findet, bei den Anderen und nicht bei den eigenen schlechten Arbeitsbedingungen und mieser Bezahlung

Martin Kocher und die (un-)freiwillige Teilzeitarbeit

Der von der ÖVP installierte Wirtschaftsminister Martin Kocher stößt nun in dasselbe Horn. Er schlägt vor, Familienleistungen für Menschen in Teilzeit zu kürzen. Die Begründung dahinter offenbart ein Menschenbild: Menschen würden freiwillig Teilzeit arbeiten und das müsste sanktioniert werden, weil es schlecht für die Wirtschaft ist.

 
 
 
 
 
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Das ist einerseits Hohn für all jene (vor allem Frauen), die vor allem deswegen Teilzeit arbeiten, weil sie gar keine andere Möglichkeit haben. Der Ausbau der Kinderbetreuung wurde von Sebastian Kurz  und seiner türkis-blauen Regierung erfolgreich verhindert. Und selbst, wenn Menschen freiwillig in Teilzeit arbeiten, ist ein Grundprinzip von Familienleistungen, dass jedes Kind gleich viel wert ist. Immerhin ist Kinderbetreuung- und Erziehung auch Arbeit, aber eben unbezahlte Sorgearbeit.

Verschärfte Kinderarmut

Schon jetzt sind 368.000 Kinder in Österreich armutsgefährdet. Eine Kürzung der Familienleistungen (etwa der Familienbeihilfe) würde diesen Umstand weiter verschärfen. Hauptbetroffene dieser Kürzungsfantasien sind Kinder und Frauen, vor allem Alleinerziehende.

Das ist auch insofern interessant, als dass sich die ÖVP gerne als Familienpartei darstellt. Aber eben nicht für alle Familien. Alleinerzieher:innen, migrantische Familien oder eben Familien, in denen ein Elternteil Teilzeit arbeitet, zählen nicht zum Familienbegriff der ÖVP. Der Familienbegriff ist ein sehr enger und jene Familien, die am dringendsten auf den Staat angewiesen sind, sind von ihm nicht umfasst.

Die faulen Arbeitslosen 

Dahinter steckt eine Ideologie: Menschen, die nicht voll in der Lohnarbeit stehen, müssen sanktioniert werden – in die Vollzeit-Lohnarbeit geprügelt werden. Bedingungen und Umstände werden dabei außer Acht gelassen. Die Schuld wird beim Individuum gesucht, das als faul dargestellt wird. 

Das Ergebnis ist gewollt. Die Debatte dreht sich nicht um Arbeitsbedingungen oder was Arbeitgeber:innen ändern müssen, sondern um angebliche Verfehlungen von Arbeitnehmer:innen. Menschen sollen gezwungen werden, jeden noch so miesen Job zu schlechten Bedingungen anzunehmen, anstatt, dass Arbeitgeber:innen angehalten werden, sich mit attraktiven Jobangeboten um Arbeitskräfte zu bemühen.

Für diese Ideologie ist man sogar bereit, bei Kindern und Familien zu kürzen und grundsätzliche Prinzipien des Sozialstaats über Bord zu werfen. Das ist nichts anderes als ein Klassenkampf, der von oben gegen unten geführt wird. Für die Wirtschaft wird alles getan, für die Arbeitnehmer:innen nichts.

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