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Fortschritt
Klimakrise

Am Land in die Arbeit ohne Auto? "Ich kann denen nicht einfach sagen: Verzichte darauf!"

Park and Drive Parkplatz für Pendler:innen in Zwettl, NIederösterreich.
Der Park and Drive Parkplatz für Pendler:innen mit Auto in Zwettl, Niederösterreich. – Foto: A. Bachmann
Wer vom Land aus zur Arbeit pendelt, hat gefühlt nur eine Möglichkeit: Mit dem eigenen Auto fahren. Warum ist es für Pendler:innen im ländlichen Raum so schwer, in öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen und lässt sich das ändern, um mehr für den Klimaschutz zu tun? Ein Besuch in Zwettl in Niederösterreich, wo besonders viele mit dem Auto unterwegs sind.

Ein Parkplatz für den Klimaschutz? Zwettl probiert es. Die Gemeinde im Waldviertel in Niederösterreich hat Mitte August einen Parkplatz eingeweiht, auf dem Pendler:innen ihren Wagen abstellen können. Dort sollen sie dann aber nicht in öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, sondern in Fahrgemeinschaften zum Arbeitsplatz in Krems, St. Pölten, Gmünd oder Wien fahren. Das eigene Auto bleibt dann bis zum Feierabend stehen. Park & Drive statt Park & Ride.

Pendler:innen steigen vom Auto ins Auto um

Der Parkplatz liegt direkt an der Auffahrt zur B38, die in Richtung Krems führt. Beim Lokalaugenschein nutzen gerade zwei Buben den Platz, um mit ihren Fahrrädern Runden zu drehen. Ausreichend Freifläche haben sie dafür. Von den 89 in weißer Farbe auf den grobkörnigen Asphalt gemalten Parkbuchten, sind neun besetzt. Ist das viel oder wenig? Und ist es eine gute Idee, um den Pendelverkehr mit privaten Autos zu verringern?

„Das funktioniert schon“, sagt Johannes Prinz. Der 60-Jährige ist Stadtrat der Großgemeinde und zuständig für Verkehr und Raumplanung. „Wir versuchen die Leute hinzubringen, die dann gemeinschaftlich mit einem Auto weiterfahren“, sagt der ÖVP-Politiker in seinem Büro im Gemeindeamt von Zwettl zu MOMENT.

Das Porträt von Johannes Prinz auf der Website der Stadt zeigt ihn in Anzug und mit Schlips. Beim Gespräch trägt er Jeans, Turnschuhe und eine rote Jacke. Prinz ist Radfahrer, 3.500 Kilometer legt er allein für Alltagsfahrten im Jahr zurück. „Das hat fast nur Vorteile: Ich spare CO2 und Benzin, der Zeitverlust ist minimal“, sagt er. „Und der Gesundheit schadet es sicher auch nicht“, ergänzt er schmunzelnd.

CO2-Ausstoß runterbringen? Autoverkehr ist der Schlüssel

Stehen auf dem Park & Drive in Zwettl bald mehr als neun Autos, wäre zumindest ein bisschen was gewonnen. Der private Autoverkehr ist einer der großen Schlüssel dafür, den CO2-Ausstoß in Österreich runterzubringen. Der Verkehr stößt heute 75 Prozent mehr Treibhausgase als noch 1990. Dabei sei „der höchste Anteil der Emissionen im Verkehr auf den Straßenverkehr und hier insbesondere auf den PKW-Verkehr zurückzuführen“, schreibt das Umweltbundesamt. Was Österreich in anderen Bereichen an CO2 eingespart hat, wird damit wieder zunichte gemacht.

Das ist nicht nur schlecht fürs Klima. Das könnte, ganz profan, ziemlich teuer für uns werden. Falls Österreich seine Klimaziele verfehlt, müsste es Verschmutzungszertifikate von anderen Ländern dazukaufen. Laut eines Berichts des Rechnungshofes könnte das uns bis 2030 mehr als 9,2 Milliarden Euro kosten. (Bericht als pdf)

Regierung: Irgendwas mit CO2-Steuer soll kommen

Ein Hebel dafür, mehr Menschen vom Auto abzubringen, könnte die CO2-Steuer sein. Die Bundesregierung kündigte an: Ab 1. Jänner 2022 soll der Ausstoß von Treibhausgasen bepreist werden. Das ist nicht mehr so weit hin. Wie genau Österreichs Lösung aussehen soll, ist aber noch unklar.

Ob bestehende Steuern auf Energie erhöht werden, der CO2-Ausstoß direkt besteuert wird oder eine Art nationaler Emissionshandel eingeführt wird? ÖVP und Grüne haben sich noch nicht festgelegt. Schon gar nicht fest steht, wie viel Euro mehr pro ausgestoßener Tonne CO2 fällig werden sollen.

Fakt ist: Das würde die Spritpreise steigen lassen und diejenigen belasten, die täglich mit dem Auto in die Arbeit fahren. Und: Wer wenig verdient, muss dann noch mehr von seinem Gehalt fürs Fahren ausgeben. „Die Besteuerung von CO2 birgt die Gefahr der sozialen Unverträglichkeit, weil manche Haushalte finanziell stark belastet werden“, schreibt das Momentum Institut in einer neuen Studie.

Darin wird ein Konzept vorgeschlagen, wie die CO2-Steuer mittels Umverteilung dennoch sozial gerecht gestaltet werden kann. Es sind nicht nur die Kosten: Manche Menschen hätten derzeit keine Möglichkeit einer klimafreundlichen Alternative, so Joel Tölgyes, Klimaökonom am Momentum Institut. (Eine einfache Zusammenfassung der Studie gibt es hier.)

Ohne Auto? Für viele Pendler:innen am Land unmöglich

In Wien ist es nicht nur leicht in öffentliche Verkehrsmittel einzusteigen. Man kommt damit meist auch schneller ans Ziel. Und dennoch schiebt sich morgendlich und am Nachmittag eine Blechlawine durch die Hauptstadt. Am Land dagegen ist es für viele Arbeitnehmer:innen gefühlt ein Ding der Unmöglichkeit, kein Auto zu haben.

Das Waldviertel ist Autogebiet. Im gesamten Bezirk Zwettl kommen 714 Pkw auf 1.000 Einwohner. Das ist der zweithöchste Motorisierungsgrad in Österreich. Nur im Nachbarbezirk Waidhofen an der Thaya sind es sogar noch mehr. Die 11.000-Einwohner-Stadt Zwettl ist seit einigen Jahren schon nicht mehr mit der Bahn zu erreichen. Der von Norden kommende Ast der Franz-Josefs-Bahn, der Zwettl direkt mit Wien verbinden könnte, wurde stillgelegt.

Dafür fahren Busse, und gar nicht mal so wenige, wie Johannes Prinz berichtet. „Krems, Wien, St. Pölten sind gut angebunden. Mit dem Auto kommt man da auch nicht früher an“, sagt er. „Der 170er fährt stündlich, in 45 Minuten ist der in Krems.“ Aber zur Bushaltestelle muss man erstmal kommen. Aus den kleinen Orten rund um Zwettl, „ist es nahezu unmöglich mit öffentlichem Verkehr hierher zu fahren. Es zahlt sich auch nicht aus“, sagt Prinz.

Wer erstmal ein Auto hat, nutzt es für alles

Also müssen die Leute doch wieder hinters Steuer klettern. Und wer für den Weg zur Arbeit das Auto nimmt, nimmt es auch für den Einkauf, um die Kinder in die Schule zu bringen oder zum Badesee zu fahren. Einfach, weil der Wagen eh vor der Türe steht. „Den hat man sowieso. Den nutzt man für alles“, sagt Thomas Kronister von der Arbeiterkammer Niederösterreich.

Er leitet hier das Referat Arbeit und Infrastruktur. Zum Gespräch in der Kantine der AK in Niederösterreichs Landeshauptstadt St. Pölten kommt er mit einen Packen Studien und Statistiken zu Mobilität, öffentlichem Verkehr und der Pendelei von und zur Arbeit. Er hat eine umfassende Bestandsaufnahme zum Pendeln in Niederösterreich erarbeitet. Wie viele Menschen pendeln von welcher Gemeinde wohin, wie lange brauchen sie und was kostet sie das?

Pendler:innen unterschätzen, was das Auto sie kostet

Eines seiner Urteile: „Pendlerinnen und Pendler unterschätzen die Kosten des Autos.“ Viele sähen nicht, dass es bereits 400 Euro im Monat kostet, nur damit das Auto dasteht. Auch andere Studien und Umfragen bestätigen das. Gleichzeitig „überschätzen viele die Fahrtzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel“, sagt Kronister.

Das Problem sei nur: „Wenn der Bus aus Zwettl um 8 Uhr in Gmünd ankommt, dann ist das nichts für Dienstnehmer“, sagt er. „Wenn ich um diese Zeit eigentlich Arbeitsbeginn habe, kann ich meinem Chef nicht sagen, ich komm heut zehn Minuten später, weil der Bus erst um 8 da ist.“

In einem Drittel der Orte kein Rauskommen ohne Auto

In einer der Studien, die Kronister an diesem Tag mitgebracht hat, steht: Ein Drittel der Orte in Niederösterreich ist nicht ausreichend an öffentlichen Verkehr angeschlossen. „Da hat es nur ein Mindestangebot, da komm ich schwer raus“, sagt Kronister. „Menschen, die im ländlichen Raum wohnen und in Ballungszenten arbeiten, kann ich deshalb nicht einfach sagen: Verzichte auf dein Auto.“

Aber es gebe auch viele, die in der Nähe einer Haltestelle wohnen. „Denen kann ich schon sagen: Steigen’s einmal in die Bahn ein“, sagt Kronister. „Man muss ihn einfach mal ausprobieren, um dann zu sehen, dass es vielleicht doch nicht so schlecht ist.“

Denn es sei nun einmal so: „Wenn wir Klimaneutralität wollen, müssen wir unser Verhalten ändern. Sonst geht es nicht.“ So könnten etwa Fahrgemeinschaften gebildet werden, wie es in Zwettl mit dem Park and Drive versucht wird. Noch besser wäre, es könnten mehrere Menschen in einem E-Auto zur Arbeit fahren. Mehr Menschen könnten mit dem Rad zur Arbeit fahren – vorausgesetzt es gibt ein gut ausgebautes Wegenetz. Oder es könnten mehr von den sogenannten Rufbussen bestellt werden, die einen von zuhause zur nächsten Haltestelle bringen.

Modell: CO2-Steuer an untere Einkommen rückverteilen

Und wenn das nicht hilft, vom Auto loszukommen? Bräuchte es dann nicht eine CO2-Steuer, die da ansetzt, wo es für ganz viele am meisten weh tut: beim Geld? Kronister sagt: „Wir vertreten die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“

Für die Arbeiterkammer ist klar, dass diejenigen, die wenig verdienen, durch die CO2-Steuer nicht noch stärker belastet werden sollen. „Wir haben Modelle ausgearbeitet, wie man das abfedern kann“, sagt er. Ein pauschaler Öko-Bonus könnte helfen, die Belastung für Geringverdienende auszugleichen.

Das Momentum Institut hat ein konkretes Modell ausgearbeitet, bei dem die Einnahmen aus der CO2-Steuer rückverteilt werden. Und zwar so, dass Haushalte in den unteren Einkommensbereichen unterm Strich sogar profitieren. Vorgesehen ist ein sozial gestaffelter Ökobonus, der für Haushalte mit niedrigeren Einkommen höher ist. Eine von mehreren weiteren Maßnahmen: Wer am Land lebt und nur sehr schwer auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen kann, erhält einen Mobilitätsbonus.

Wie viel muss CO2 kosten, damit Pendler:innen umsteigen?

Der Zwettler Stadtrat Johannes Prinz sagt: „Für Bonus und Öko-Bonus bin ich immer. Denn der Mensch reagiert auf Belohnung eher als auf Strafen.“ Für ihn sei eine CO2-Steuer aber eben genau das: eine Strafe. „Deshalb bin ich eher dagegen.“ Er bezweifelt, dass ein etwas höherer Preis auf den Ausstoß von Treibhausgasen allein etwas bewirken könnte. „Wenn, dann müsste ich die so hoch machen, dass es ein Anreiz für den Umstieg ist“, sagt er.

Wie viel das sein müsste? „Da halt ich mich raus“, sagt er und lacht. Das Momentum Institut schlägt einen Preis von 150 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 vor. Das ist das Dreifache von dem, was derzeit als Einstiegspreis für die CO2-Steuer diskutiert wird. Wer dann aufs Auto verzichtet, hätte spürbar mehr im Geldbörserl.

Die Tochter fuhr immer mit Öffentlichen heim, jetzt im Auto 

Jahr für Jahr legen immer mehr Menschen in Österreich immer mehr Kilometer im Auto zurück. Bleibt alles, wie es ist, wird sich das wohl kaum ändern. Johannes Prinz hat das jüngst in der eigenen Familie erlebt. Seine Tochter lebt und arbeitet in Wien. An den Wochenenden fahre sie regelmäßig nach Hause ins Waldviertel, bis vor kurzem immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

“Sie hatte gar kein Auto. Aber sie sagt, sie sei damit flexibler und das Öffi-Ticket zu teuer. Also hat sie sich eines gekauft. Das ist ein klassisches Beispiel von: verloren für den öffentlichen Verkehr”, sagt der Verkehrs-Stadtrat, der schwer darum kämpft, dass mehr Menschen in Zwettl aufs Auto verzichten können und wollen.

Früher Minderheit, heute pendeln 60 Prozent zur Arbeit

In St. Pölten zieht Thomas Kronister eine weitere Statistik aus seinen Unterlagen: Sie zeigt, wie viele Menschen in den 70er Jahren zum Arbeitsplatz gependelt sind und wie viele es heute sind. Damals musste rund ein Viertel die Heimatgemeinde für den Job verlassen, heute sind es fast 60 Prozent. Hier müsse man auch ansetzen: “Helfen kann, die Nahversorgung wieder in die Orte zu bringen”, sagt er. “Am schönsten wäre es, wenn die Arbeitsplätze in die Regionen zurückkehren, damit ich gar nicht erst so weit fahren muss.”

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