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MAN-Werk Steyr: Was die Übernahme durch Siegfried Wolf bedeutet

Diese Wendung kam unerwartet: Investor Siegfried Wolf übernimmt nun doch das MAN-Werk in Steyr. Seine WSA Beteiligungs GmbH einigte sich mit dem Management von MAN in München. Bei einer Urabstimmung im April hatte die Belegschaft des Werks das Angebot Wolfs noch mit beinahe Zweidrittelmehrheit abgelehnt.

Doch Wolf verbesserte daraufhin sein Angebot. In Zahlen heißt das: 1.250 Jobs und alle 160 Lehrlinge sollen übernommen werden. 150 weitere Arbeitsplätze werden über eine Arbeitsstiftung gesichert, für 133 Beschäftigte gibt es eine Lösung für Altersteilzeit, heißt es. Ursprünglich wollte Wolf insgesamt nur 1.250 Beschäftigte der Stammbelegschaft übernehmen – MOMENT berichtete darüber.

Die 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihre Jobs nun doch verlieren, sollen besser aussteigen als zunächst in Aussicht gestellt worden war. Sie können einen Sozialplan nach dem „deutschen Modell“ unterzeichnen. Das war eine Forderung von Belegschaftsvertretung und Gewerkschaften in den Verhandlungen. Eine zweite Urabstimmung soll es nicht geben.

Schließung des MAN-Werk jetzt vom Tisch 

Die Beschäftigten erhalten jeweils eigene Vertragsangebote. Ihnen steht weiterhin der Weg offen, den mit MAN abgeschlossenen Standortsicherungsvertrag einzuklagen, der den Bestand des Werks ohne betriebsbedingte Kündigungen bis 2030 garantieren soll. Die Vereinbarung wurde im vergangenen Jahr von MAN einseitig aufgekündigt. Mit Ende 2022 will MAN das Werk verlassen.

Von der bevorstehenden Einigung mit Wolf als neuem Betreiber drang nichts nach Außen: Noch am Donnerstagvormittag sprach MOMENT mit Wolfs Sprecher Josef Kalina. Der wollte nichts herauslassen. „Ich kann derzeit nichts darüber sagen, wie die Gespräche laufen. Ich kann nur sagen, dass es bald weitere geben wird“, sagte Kalina. „Bald“ hieß in diesem Fall offensichtlich: noch heute.

Es gibt einige Punkte, die uns bekräftigen, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben
MAN Steyr Betriebsratschef Helmut Emler

Die nun erzielte Einigung mit Wolf zu verbesserten Konditionen ist reell ein Erfolg für die Belegschaft. Das Nein in der Urabstimmung im April habe etwas gebracht, sagte Betriebsratschef Helmut Emler am Mittwoch zu MOMENT: „Es gibt einige Punkte, die uns bekräftigen, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.“ Die Zeit seit der Abstimmung sei genutzt worden, um zu verhandeln.

„Was jetzt passiert, ist eine Betriebsübergabe von MAN an die WSA von Siegfried Wolf“, sagt Emler nach der Einigung zu MOMENT. Das heißt: Alle Betriebsvereinbarungen der Belegschaft mit MAN bestehen weiterhin. Gesprächspartner darüber ist nun aber Siegfried Wolf und seine in Graz ansässige Firma. Für Emler ist es „ein Erfolg, dass der Standort bestehen bleibt. Das war immer das Ziel“, sagt er.

Was passiert mit der Standortgarantie am MAN-Werk?  

Dennoch wurde auch er von der plötzlichen Einigung überrascht. Für Freitag war eigentlich eine vierte und möglicherweise letzte Verhandlungsrunde zwischen MAN und Betriebsrat geplant. Dort sollte es nicht nur um den verbesserten Sozialplan gehen, sondern auch um die generelle Zukunft des Werkes. Betriebsrat und Gewerkschaft pochen weiterhin darauf, dass MAN den Standortsicherungsvertrag bis 2030 einhält.

Der deutsche Hersteller für Nutzfahrzeuge kam im vergangenen Jahr darauf, diesen für nicht gültig zu erachten. Für Hannes Jarolim, Anwalt der Belegschaftsvertretung ein Unding: „Bei MAN gab es einen Wechsel im Management und dann hieß es: neuer Vorstand, neue Regeln, die alten Regeln gelten nicht mehr“, sagte er am Donnerstag und vor der Einigung zu MOMENT.

Gutachten seiner Kanzlei und des Grazer Uni-Professors Gert-Peter Reissner kamen zum Schluss: Die von MAN für Steyr gemachten Garantien seien echte Betriebsvereinbarungen, Kündigungen daher nicht rechtens.

Wenn ein anderer übernimmt, dann muss er auch die alten Verträge übernehmen.
Alois Stöger, Gewerkschaft PRO-GE

Die Vertretung der rund 2.300 Beschäftigen am MAN-Werk in Steyr hatte deshalb beschlossen: Bewegt sich MAN nicht, werde beim Sozial- und Arbeitsgericht Steyr eine Feststellungsklage eingereicht. Der Wert der Forderungen aus dem Vertrag, der betriebsbedingte Kündigungen am Werk bis 2030 ausschließen sollte, beläuft sich auf rund 1,5 Milliarden Euro.

Ob Siegfried Wolf mit dem MAN-Werk nun auch die Verpflichtungen des Standortsicherungsvertrag übernehmen würde? „Wenn ein anderer übernimmt, dann muss er auch die alten Verträge übernehmen. Das ist so“, sagt Alois Stöger, SPÖ-Nationalrat und Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Gewerkschaft PRO-GE zu MOMENT.

Aber: Schon vor der Urabstimmung im April warnte der damalige Betriebsratschef Erich Schwarz gegenüber MOMENT: „Jeder Beschäftigte, der jetzt bei Siegfried Wolf unterzeichnet, verzichtet auf den Standortsicherungsvertrag.“

Hat MAN überhaupt mit anderen um Steyr verhandelt? 

Daneben forderte die Belegschaft von MAN, auch mit anderen Interessenten am Werk zu verhandeln. Neben dem bereits bekannten Konsortium um den Unternehmer Karl Egger warfen zuletzt offenbar noch zwei weitere Investoren ihren Hut in den Ring. Ob und wie ernsthaft MAN auch mit ihnen sprach, war ebenfalls: streng geheim. „Wir haben absolutes Stillschweigen vereinbart“, sagte Gerald Ganzger, Sprecher des Egger-Konsortiums, noch am Mittwoch zu MOMENT.

Für Betriebsratschef Emler war aber klar: „MAN favorisiert einen Investor besonders, redet mit anderen aber bisher nur zurückhaltend“, sagte er, bevor sich Wolf und der Lkw-Bauer auf die Übernahme des MAN-Werks geeinigt hatten. Nachdem der Deal nun fix ist, sagt er: „Die Vorgehensweise kann man kritisieren, aber es war immer klar, dass MAN an den verkauft, den sie wollen.“

Belegschaft im MAN-Werk verunsichert wegen Russland

Und das war offenbar immer nur Siegfried Wolf. Wolf plant eine enge Kooperation mit dem russischen GAZ-Konzern. Ein Problem daran: Falls es Wirtschaftssanktionen vonseiten der EU oder den USA gegen Russland geben sollte, könnten auch in Steyr die Bänder still stehen – MOMENT berichtete darüber. „Die Belegschaft ist da verunsichert“, sagte Emler noch am Mittwoch. „Andere Interessenten sind inzwischen eine gute Alternative“.

Bei Wolf bleibt es dann in der Familie.
Hannes Jarolim, SPÖ, Anwalt der Belegschaftsvertretung

Doch die kommen nun nicht zum Zuge. Siegfried Wolf war zuvor jahrelang in leitender Funktion bei der GAZ-Gruppe tätig, sitzt heute noch dort im Aufsichtsrat. Wolf war früher Vorstandschef des Automobilzulieferers Magna. Er sitzt im Aufsichtsrat der Porsche AG, die Mehrheitseigner von VW ist, der Konzernmutter von MAN.

„Bei Wolf bleibt es dann in der Familie“, sagt Belegschaftsanwalt und SPÖ-Nationalrat Jarolim auf diese enge Verflechtung Wolfs mit Verhandlungspartnerin MAN. Und: Ob überhaupt Gespräche mit anderen geführt wurden, „darüber bin ich mir nicht sicher“.

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