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Ungleichheit
Fortschritt

Alleinerzieherin in Ausbildung: Kampf um Kinderbetreuung und Anerkennung

Theresa* ist Alleinerzieherin und will eine neue Ausbildung starten. Nach vielen Schicksalsschlägen möchte sie endlich das lernen, was sie immer schon machen wollte. Bei uns erzählt sie, wie ihr Long Covid, Kinderbetreuung und AMS dabei Hürden in den Weg stellen.

Ich wollte als Jugendliche eigentlich die Matura machen und studieren. Ich bin in einer damals typischen Familie groß geworden: Der Vater ging arbeiten, die Mutter blieb zu Hause. Meine ältere Schwester hat die Matura gemacht und ging dann nach Wien studieren. Eines Tages habe ich ein Gespräch meiner Eltern mit angehört. Sie wussten nicht, wie sie sich mein Studium zusätzlich leisten sollten. 

Ich entschied mich deswegen dazu, eine Lehre zu machen. Ich hatte meinen Eltern gegenüber ein schlechtes Gewissen, habe ihnen das aber nicht gesagt. Die Lehre und meine Arbeit in einer Anwaltskanzlei später waren durchaus spannend. Ich habe aber immer daran gedacht, dass ich die Matura nachholen will.

Jetzt bin ich 41 Jahre alt und Alleinerzieherin von mehreren Kindern im Alter zwischen 5 und 13 Jahren. In den letzten Jahren habe ich einen Schicksalsschlag nach dem anderen erlebt. Meine Eltern sind gestorben, unser Hund ebenso, dazu kam die Trennung von meinem Partner. 

Wegen Long Covid in die Arbeitslosigkeit

Ich habe vor etwa eineinhalb Jahren nach über 10 Jahren Pause wieder zu arbeiten begonnen. Ich fand es sehr schön zu erleben, dass es funktioniert, wenn ich uns selbst versorge. Knapp ein Jahr später hatte ich Corona und bekam Long Covid. Da habe ich gemerkt, dass ich sehr alleine dastehe. Mein Chef war sauer, hat immer wieder gefragt, wann ich wieder in die Arbeit komme. Aber ich konnte einfach nicht. Ich war dann so lange krank, dass ich nur mehr die Hälfte meines Lohns bekommen hätte. Das ging sich mit meinen Kindern einfach nicht aus. Also haben wir das Dienstverhältnis aufgelöst.

Dass ich Long Covid hatte, haben viele Leute nicht verstanden. Ich konnte zeitweise fast nicht gehen. Manchmal war ich zu erschöpft, um mir etwas zu trinken zu holen. Als ich dann zum ersten Mal rausging, bekam ich kaum Luft. Ich hatte das Gefühl, mein Brustkorb explodiert. Bis auf meine Schwiegermutter gab es niemand, der mir und den Kindern im Alltag geholfen hat.

Ausbildung als Alleinerzieherin: Endlich das, was ich immer machen wollte

Als ich beim Land um Hilfe angefragt habe – jemanden, der mir vielleicht einen Tag beim Putzen hilft – kam als Antwort einfach: “Das ist nicht vorgesehen.” Ich solle mir doch privat Hilfe suchen oder eine Freundin fragen. Eigentlich hätte ich auch auf Reha gehen sollen. Aber ich habe niemanden, der in dieser Zeit für meine Kinder da ist.

Mittlerweile geht es mir besser. Und ich will jetzt endlich das lernen, was ich immer schon machen wollte. Wann, wenn nicht jetzt? Mit 41 Jahren und jungen Kindern ist das meine letzte Chance dafür. Nach so langer Abwesenheit passe ich nicht mehr in ein Büro. In meinem Leben hat sich einfach zu viel geändert. Bereits in der Hauptschule wusste ich, dass ich im Sozialbereich arbeiten will. Das blieb ständig im Hinterkopf. Ich habe dann erfahren, dass ich einen Vorbereitungskurs für die FH Burgenland machen kann. Den mache ich gerade, damit ich dort Soziale Arbeit studieren kann.

700 Euro für Kinderbetreuung

Hilfe habe ich mir dabei keine erwartet. Was ich aber fern der Wirklichkeit finde: Es heißt immer, dass man Frauen aus der Teilzeitfalle holen möchte. Super, das will ich ja auch. Aber ich bin vor allem bei der Kinderbetreuung auf öffentliche Unterstützung angewiesen. Mir wurde zum Beispiel vom Kindergarten gesagt, dass die Kinder nicht länger als bis 16:00 Uhr dort sein sollen – obwohl er länger auf hat. Auch während Long Covid wurde ich immer wieder angerufen, ob meine Kinder früher heimkommen könnten. Dabei war ich teilweise nicht fähig, irgendetwas zu machen. Dass die Kinderbetreuung am Nachmittag nicht gratis ist, macht es auch nicht leichter. Pro Monat kostet sie rund 700 Euro.

Damit ich das Studium machen kann, unterstützt mich meine Schwiegermutter. Das Studium läuft von Montag bis Donnerstag. Dank ihr geht sich das mit der Betreuung zum Glück aus.

Keine Unterstützung vom AMS

Das ist aber nicht die einzige Hürde. Dem AMS bei mir in Niederösterreich ist es egal, dass ich die Ausbildung machen will. Unterstützung gibt es keine. Bei meinen Kolleg:innen aus dem Burgenland sieht das anders aus. Die bekommen zum Beispiel den Vorbereitungskurs bezahlt. Außerdem müssen sie sich während der dreijährigen Ausbildung für keine Jobs bewerben. Bei mir ist das anders. Ich muss mich zweimal pro Woche auf eine Stelle bewerben. Und wenn ich einen Job bekommen würde, müsste ich ihn annehmen – obwohl ich etwas ganz anderes machen will. Für den Kurs bekomme ich auch keinen Zuschuss.

Dabei habe ich sogar mit Schulen Kontakt aufgenommen, weil ich gerne als Sozialarbeiterin dort arbeiten würde. Mir wurde auch gesagt, dass sie dringend welche brauchen und mir sogar Tipps und Ratschläge erteilt. Es gibt also großen Bedarf. Für das AMS macht das keinen Unterschied. 

Die Unsicherheit studiert mit

Es könnte also jederzeit passieren, dass ich mein Studium abbrechen muss. Ich bin auch in einem Vermittlungsprogramm, das einen mit Unternehmen aus der Region vernetzt. In diesem Fall kommt mir meine Situation fast schon zugute. Ich bin Alleinerzieherin und kann von einem Tag auf den anderen ausfallen. Das wollen die wenigsten Firmen mitmachen.

Ich bin eine sehr selbständige Person und will möglichst unabhängig sein. Ich will und werde dieses Studium durchziehen. Aber das wird mir sehr schwer gemacht. Ich hoffe, dass mich das AMS das machen lässt. Ich möchte einen Beruf ausüben, der mich interessiert – und der zu meinem Leben passt.
 

*Name von der Redaktion geändert

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