Sind Betriebsräte bei Swing Kitchen unerwünscht?
Das Treffen mit seiner Geschäftsführung wird C. noch lange in schlechter Erinnerung bleiben. C. ist der derzeitige Betriebsratsvorsitzende in einer Wiener Filiale des veganen Burger-Unternehmens „Swing Kitchen“. Es war am 26. März 2024. Er sei er vom Arbeitsplatz im Restaurant hoch in den 5. Stock gegangen. Dort wo das Büro von Geschäftsführerin Irene Schillinger und ihrem Ehemann und Geschäftspartner Charly Schillinger ist.
Seine Vorgesetzte wollte er um eine Unterschrift ersuchen. Sie solle bestätigen, eine bestimmte E-Mail erhalten zu haben. Ungewöhnlich. Aber kann nicht so schwierig sein, sollte man meinen. “Du erhältst das schriftlich”, habe Schillinger gesagt. Aber die ausgedruckte E-Mail zu unterschreiben, das verweigerte sie. Das schreibt C. in einem Protokoll, das MOMENT.at vorliegt. Für C. ging es um viel. Der Betreff der E-Mail lautete “Bzgl. schriftlicher Abmahnung”.
Swing Kitchen und das Rätsel um den offenen Tresor
Die Schichtleiterin meldete eines Morgens, dass der Tresor offenbar über Nacht offen stand. Dort lagen immerhin das Wechselgeld, die Einnahmen des Tages und das Trinkgeld für die Mitarbeiter:innen. C. leitete die Abendschicht davor. Ihm wurde vorgeworfen, ihn offen stehen gelassen zu haben. Dafür bekam er seine schriftliche Abmahnung.
Doch der Vorwurf habe sich als Missverständnis herausgestellt, sagt C.. Das gehe auch aus der Schichtleitungs-WhatsApp-Gruppe hervor. “Eine Kollegin hat darin geschrieben, dass sie selbst den Tresor geöffnet, und anschließend darauf vergessen hat. Der Vorwurf gegen mich stimmte also nicht, und auch die Abmahnung hätte gegenstandslos sein müssen.”
Konflikt um Bestätigung
In der E-Mail sendete C. die Nachricht der Kollegin an seine Vorgesetzten und bat sie: “Um mögliche zukünftige Missverständnisse diesbezüglich zu vermeiden, gebt mir bitte eine kurze Bestätigung, dass ihr das zur Kenntnis genommen habt.” Nachdem keine Antwort auf seine E-Mail kam, wollte C. das persönlich im Büro der Geschäftsführung von Swing Kitchen klären.
Doch geklärt wurde in den Minuten im Büro der Chefin nichts. Im Gegenteil: “Irene Schillinger hat mir die Auskunft darüber verweigert, ob sie die Hinfälligkeit der Abmahnung zur Kenntnis genommen hat. Sie hat nur wiederholt, dass ich das schriftlich bekomme.“ Das bestätigt Irene Schillinger auf Nachfrage. Sie habe schriftlich antworten wollen, “da ich zu diesem Zeitpunkt weder Zeit noch die volle Information zu dem Fall hatte”.
Vorwürfe und Misstrauen
Wenige Tage später wurde eine Kollegin von C. ins Büro gebeten. Es war jene, die den angeblich über Nacht offen stehenden Safe gemeldet hatte und sich später erinnerte, dass sie ihn selbst geöffnet hatte. Die Geschäftsführung legte nun ihr eine Abmahnung vor.
Dass sie erst drei Tage nach dem Vorfall den “falschen Alarm” aufklärte, lasse “darauf schließen, dass es sich hier ggf. um eine falsche Behauptung zum Schutze des Kollegen handelt”, heißt es darin. So etwas sei “nicht akzeptabel”. Und, zweiter Punkt: Dass sie sich am Tag des von ihr gemeldeten Vorfalls nicht daran erinnern konnte, den Tresor selbst geöffnet zu haben, “lässt auf eine unkonzentrierte Arbeitsweise schließen”, die abgemahnt werde.
Doch damit nicht genug. Die Geschäftsführung “ergänzt” in dem Schreiben, dass an vier Tagen im März 2024 Wechselgeld in der Kasse gefehlt habe, in Summe rund 210 Euro. An allen vier Tagen habe die Mitarbeiterin Dienst gehabt, “was die Vermutung aufkommen lässt, dass sie z.B. durch operative Herausgabefehler an der Kasse Minusbeträge in der Kasse verursacht haben könnten”, heißt es in der Abmahnung. Das lasse auf eine unzuverlässige Arbeitsweise schließen. Zusätzlich wird die Kollegin von C. dafür abgemahnt, am Tag des Vorfalls mit dem Tresor, ihren Dienst fünf Minuten zu früh angetreten zu haben. “Das ist zu unterlassen”, heißt es in der von Geschäftsführerin Irene Schillinger unterschriebenen Abmahnung.
Plötzliche Konflikte nach Betriebsratsgründung
Die Mitarbeiterin weigerte sich, die Abmahnung zu unterzeichnen. Danach folgten E-Mails von C. und seiner Kollegin an die Geschäftsführung, in denen sie die Vorwürfe zurückweisen und fordern, die Abmahnungen zurückzunehmen. Antworten ließen auf sich warten, der Ton in den MOMENT.at vorliegenden Mails wurde zunehmend rau. “Deine Abmahnung wurde nicht zurückgenommen, dazu sehe ich keine Veranlassung”, schreibt Schillinger zweieinhalb Wochen später an C.. Gegenüber MOMENT.at begründet Schillinger ihr Vorgehen damit, dass die “plötzlich zurückgekehrte Erinnerung” der Kollegin von C. “in keiner Weise glaubwürdig war.
C. war vor den Kopf gestoßen. Seit 2017 arbeitet er bei Swing Kitchen. Das Verhältnis zu Geschäftsführerin Schillinger sei mmer gut gewesen, versichert er. Bis er am 14. März dieses Jahres seine Chefin darüber verständigte, eine Betriebsversammlung einzuberufen. “Danach wurde es deutlich schlechter.” Thema der Versammlung sollte sein: Wahl des Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl. Termin: 4. April. Auch die genannte Kollegin von C. hatte die Einberufung unterschrieben.
Swing Kitchen-Chefin von Betriebsratswahl “überrascht”
C. berichtet, Schillingers Reaktion sei “geprägt von Skepsis, und Unverständnis” gewesen. Die Chefin sei von der Einberufung “überrascht” gewesen. “Womit seid ihr denn unzufrieden?”, habe sie ihn gefragt. Mitarbeiter:innen könnten “jederzeit Feedback geben, die Tür steht euch ja jederzeit offen”, habe sie ihm versichert und gefragt: “Was erwartet ihr euch denn davon überhaupt?”
Schillinger selbst bestätigt gegenüber MOMENT.at per E-Mail, dass sie diese Fragen gestellt hat: “Nachdem mir keine Informationen über Unzufriedenheiten im Team vorgelegen sind, habe ich an dieser Stelle nachgefragt, ob es konkrete Themen gibt, die der Anlass für die Betriebsratsgründung sind. Das war der einzige Grund meiner (sehr kurzen) Nachfrage.”
Mitarbeiter:innen finden Zeitpunkt verdächtig
Zwei Wochen nach der Betriebsversammlung kam es zum Vorfall mit dem Tresor, in dessen Folge zwei Abmahnungen ausgesprochen wurden. Und sie betrafen ausgerechnet die beiden Personen, die bei der Betriebsversammlung zum Wahlvorstand und zu dessen Ersatzmitglied gewählt wurden und damit die eigentliche Betriebsratswahl auf den Weg bringen sollten.
C. glaubt nicht an einen Zufall. Er sieht die Möglichkeit eines Zusammenhangs mit der Einberufung der Betriebsversammlung. Auch die Kollegin von C. habe diesen Verdacht der Geschäftsführung gegenüber geäußert, so C. In einer Antwort-Email weist Irene Schillinger diesen Vorwurf zurück. Sie spricht von einer “Unterstellung” und fordert, diese “zu unterlassen.” Es gehe hier “alleine um den in der Abmahnung geschilderten Vorfall.”
Nicht die ersten Konflikte dieser Art bei Swing Kitchen
MOMENT.at liegen zahlreiche Protokolle, E-Mails und Chatverläufe vor, die jedenfalls aus Sicht der Mitarbeiter:innen nahelegen: Swing Kitchen tue sich schwer damit, wenn Beschäftigte einen Betriebsrat gründen wollen.
Was im Lokal nahe der Wiener Hauptuni nun passierte, sei demnach auch kein Einzelfall. Zahlreiche frühere und aktuelle Mitarbeiter:innen berichten MOMENT.at anonym davon, wie sich der Wind im Unternehmen gedreht habe, nachdem sie das Wort Betriebsrat in den Mund genommen hatten. In zwei anderen Filialen sei die Gründung von Betriebsräten gescheitert. Mitarbeiter:innen hätten “Einschüchterungen” gespürt.
Betriebsrat-Gründung: Swing Kitchen bestreitet Behinderung
MOMENT.at konfrontierte Geschäftsführerin Irene Schillinger mit diesen Vorwürfen. “Betriebsratsgründungen konnten immer ungehindert und störungsfrei stattfinden”, sagt sie. Es habe auch zu keinem Zeitpunkt Einschüchterungen gegeben. “Wer Derartiges behauptet, wird den Wahrheitsbeweis antreten müssen, gegen solche haltlosen Anschuldigungen werden wir uns gerichtlich zur Wehr setzen”, sagt Schillinger.
Im Februar 2023 gelang es Beschäftigten einer anderen Wiener Filiale von Swing Kitchen, erstmals einen Betriebsrat zu gründen. Den Weg dorthin dokumentierten die Beschäftigten in einem Protokoll, das MOMENT.at vorliegt. Darin ist etwa zu lesen: Bei einem Teammeeting am 23. Jänner habe die Geschäftsführung den geplanten Betriebsrat einen “Akt des Misstrauens” genannt – was Irene Schillinger auf Nachfrage bestreitet – und damit den Ton gesetzt für die folgenden Monate.
Gewerkschaft sieht schwieriges Verhältnis
Diesen Eindruck bestätigt auch Albert Kyncl. Er ist Landessekretär der für die Gastronomie zuständigen Gewerkschaft VIDA. “Bei den Teilbetriebsversammlungen bei Swing Kitchen haben alle anwesenden Kolleg:innen mitgeteilt, dass sich das Klima im Betrieb seit Bestehen des Betriebsrats aufgrund von Maßnahmen durch die Geschäftsleitung verschlechtert hat”, sagt er zu MOMENT.at.
Gemeinsam mit seinem Kollegen Robert Maggale befasst er sich seit Jahren mit Swing Kitchen. Schon im Jahr 2020 habe die VIDA einen Brief an das Gründer-Ehepaar Charly und Irene Schillinger geschrieben. Ziel: Sie zu einem “sozialpartnerschaftlichen Dialog mit der Gewerkschaft” einladen. „Auf diesen Brief wurde nie reagiert“, sagt Kyncl im Gespräch mit MOMENT.at.
„Nach der Ankündigung der Betriebsratswahl ist den Beschäftigten in der betroffenen Filiale sofort ein rauer Wind entgegen geschlagen”, sagt der Gewerkschafter. “Es ist immer dasselbe mit Unternehmen, in denen es noch keinen Betriebsrat gibt: Die Geschäftsführungen glauben dann immer, dass jetzt sofort die große Revolution losbricht. Dabei geht es doch um demokratische Rechte.“
Swing Kitchen: Rasant zur internationalen Kette
Swing Kitchen ist ein recht junges, aber schnell expandierendes Unternehmen in der System-Gastronomie. 2015 startete man in Wien. Mittlerweile gibt es 14 Stores in acht Städten in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Die dahinterstehende Idee ist es, veganes Fastfood mit hoher Qualität unter die Menschen zu bringen. Eine vegane Lebensweise solle keinen Verzicht auf geschmackvolles Comfortfood bedeuten.
Das Unternehmen verbreitet ein aktivistisches Image. Die Mitarbeiter:innen in den Filialen sind oft Menschen, die der Tierrechtsszene nahestehen oder über Veganismus und Nachhaltigkeit den Weg zu Swing Kitchen fanden. Das gilt auch für die Besitzer:innen. Auf der Firmenhomepage wird erzählt, wie Charly seine zukünftige Ehefrau Irene einst während einer Protestaktion der Tierrechtsorganisation „Vier Pfoten“ bei der Vienna Fashion Show aus den Fängen von Polizisten rettete. “It was love at first fight”, steht dort.
“Familie” mit veganer Mission
Auch Jobangebote gibt es auf der Webseite: „Du suchst einen Job, der sich nicht wie einer anfühlt? Ein Team, das einer Familie gleicht? Du willst mit deiner Arbeit einen Beitrag zur Schonung von wertvollen Ressourcen leisten? Durch deinen Einsatz für Tiergerechtigkeit sorgen? Dann bist du bei uns genau richtig!“
Swing Kitchen wirbt damit, über dem Kollektivvertragslohn zu bezahlen. Laut einer Ausschreibung für einen zum 4. Juli 2023 zu besetzenden Job in der Filiale am Schwedenplatz gibt es für 30 Stunden Arbeit einen Lohn von 1.452,28 Euro brutto. Gefordert werden unter anderem „Identifikation und Loyalität gegenüber dem Unternehmen“ sowie eine „Affinität zur veganen Ernährung bzw. positive Einstellung zu unserer Philosophie.“ Als positives Merkmal wird mit regelmäßigen „Teammeetings zum Austausch und zum Teambuilding“ geworben.
Mangelware Betriebsrat in veganer Kette
Eines aber gibt es in dem Unternehmen kaum: Betriebsräte. Laut eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen über 230 Mitarbeiter:innen – die meisten davon in Österreich. Doch sie arbeiten nicht alle im selben Unternehmen: Jede Filiale ist in der Regel eine eigene GmbH und damit rechtlich ein eigenes Unternehmen. Die Geschäftsführerin ist meist Irene Schillinger. Es sei denn, ein Store wird als Franchise-Unternehmen betrieben.
Einen zentralen Betriebsrat gibt es durch diese Organisation nicht. In jeder Filiale müssten die Beschäftigten einen eigenen gründen – wenn sie das wollen. Es dauerte bis zum 27. Februar 2023, bis das in einer anderen Filiale in Wien auch tatsächlich einmal gelang.
Stress beim Personal vor Betriebsratsgründung 2023
Zuvor hatte es über mehrere Monate hinweg Beschwerden bezüglich Stress und Unterbesetzung gegeben. MOMENT.at gegenüber erzählen ehemalige Swing Kitchen-Beschäftigte davon, dass Mitarbeiter:innen überwiegend auf Teilzeitbasis angestellt wurden. Über eine Whatsapp-Gruppe sei aber regelmäßig und meist sehr kurzfristig zur Ableistung von Plusstunden und Sonderschichten zum Ausgleich von Personalausfällen etwa bei Krankenständen herangezogen worden.
Die Beschäftigten forderten daraufhin mehr Personal. Ihren Angaben zufolge wurden sie jedoch immer abgewiesen, da das Unternehmen dafür kein Geld habe. Irene Schillinger nennt dies eine Behauptung, die “jeder Grundlage” entbehre. “Wir arbeiten seit Gründung unseres Unternehmens völlig transparent, mit nachvollziehbaren Tabellen”, sagt sie auf Nachfrage von MOMENT.at.
Kommunikation – aber ohne Rechte
Damit sich die Beschäftigten bei Problemen und Fragen nicht allein fühlen, hat sich Swing Kitchen etwas anderes überlegt: „Feedback-Gespräche“ und die jährliche Wahl von „Kommunikationspersonen“. Sie sollen bestehende Probleme oder Beschwerden an die Geschäftsleitung weiterleiten. Fragen, Kritik und Vorschläge könnten so “auf Wunsch” auch anonym übermittelt werden, erläutert Irene Schillinger. Sie nennt das ein “zusätzliches Kommunikationsangebot”. Nur: Anders als Betriebsräte haben diese „Kommunikationspersonen“ keinerlei Durchsetzungs- oder Verhandlungsrechte.
Die Anstellungspolitik von Swing Kitchen führt zu einer hohen Identifikation mit dem Unternehmen. Das Betriebsklima wird als sehr kollegial beschrieben. Die Beschäftigten arbeiteten gerne für das Unternehmen. Teile der Belegschaft suchten schließlich den Kontakt mit der zuständigen Gewerkschaft VIDA. Sie erzählen, das sei auch aus der Motivation heraus geschehen, sich zu engagieren und auch im Interesse, die Unternehmensziele besser durchzusetzen.
Schillinger nach Ankündigung von Betriebsratswahl: “Traurig” über Entwicklung
Ende 2022 schlugen Mitarbeiter:innen dem Unternehmen einen gemeinsamen Termin zur Klärung von Problemen vor – unter der Hinzuziehung von Gewerkschaftsvertreter:innen. Irene Schillinger reagierte darauf mit einer scharf formulierten E-Mail. Für ein Gespräch mit „Gewerkschaften und anderen externen Personen“ stünde sie nicht zur Verfügung. Diese, und alle weiteren hier zitierten Kommunikationen liegen MOMENT.at vor.
Ende Jänner 2023 wurde eine Betriebsratswahl für den 27. Februar 2023 angekündigt. In einer schriftlichen Antwort auf diese Ankündigung erwiderte Schillinger, dies sei „eine Entwicklung, die mich heute, am 8. Geburtstag der Swing Kitchen, traurig stimmt, aber auch verwundert, wie es so weit kommen konnte.“ Das Verhalten der einen Betriebsrat anstrebenden Kolleg:innen sei „weder lösungsorientiert noch zielführend.“
Restaurantleiterin ging nach “einvernehmlicher Kündigung”
Nach der Betriebsratswahl wurde das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung immer schlechter. Ehemalige Mitarbeiter:innen äußerten den Verdacht, dass die gesamte Belegschaft einer zunehmenden kollektiven Bestrafung durch die Geschäftsführung ausgesetzt worden sei, um Vertrauensverhältnisse untereinander zu zerstören.
“Unserer damals sehr beliebten Restaurantleitung wurde suggeriert, für angebliches Chaos und die Unzufriedenheit in der Belegschaft verantwortlich zu sein”, berichten ehemalige Betriebsratsmitglieder. “Es gab dann eine einvernehmliche Kündigung. Aber wir sind der Meinung, dass diese unter dem Druck des Managements zustande kam.” Irene Schillinger weist auch diese Anschuldigung zurück. “Die genannte Restaurantleitung stand unter massiver Kritik seitens der Belegschaft”, sagt sie. “Die einvernehmliche Kündigung kam ohne jeden Druck zustande.”
Unzufriedenheit in Belegschaft mit neuer Restaurantleiterin
Die daraufhin von der Geschäftsführung neu eingesetzte Restaurantleiterin habe einen neuen Führungsstil in den Store eingeführt. Durch diesen sei die Autonomie der Beschäftigten drastisch beschnitten worden.
“Die neue Restaurantleiterin war viel weniger kompetent als die alte. Sie hat sich in den Arbeitsprozessen nicht ausgekannt, hat aber neue Angestellte nur noch selber ausgebildet.” Früher sei die Einschulung auch durch erfahrenere Mitarbeiter:innen gemacht worden. “Sie hat auch Personen zur Schichtleitung benannt, die erst zwei Tage im Betrieb waren. Wesentlich erfahrenere Personen kamen so nicht zum Zug. Das hat im Store Probleme und für das Personal Überstunden erzeugt”, sagt ein ehemaliges Betriebsratsmitglied.
Unterschiedliche Ansichten über viele Personal-Wechsel
Und er findet: “Außerdem hat so die Fluktuation im Betrieb stark zugenommen. Es gab kaum noch Kohärenz bei der Zusammensetzung des Teams. Wir vermuten, dass so der Zusammenhalt in der Belegschaft geschwächt werden sollte.”
Swing Kitchen-Geschäftsführerin Irene Schillinger bestreitet diese Vorwürfe. Wörtlich sagt sie: “Die Einstellung neuer Team-Mitglieder ist notwendig, wenn es Abgänge gibt. Es ist völlig verrückt zu behaupten, dass diese Maßnahme etwas anderes zum Ziel hat, als die erforderliche Zahl an Team-Mitgliedern zu gewährleisten.”
Angestellte: „Emotionale Erpressung“ durch die Geschäftsführung
Derweil gingen die „emotionalen Erpressungen“ durch die Swing Kitchen-Geschäftsleitung weiter, wie es ehemalige Betriebsratsmitglieder nennen. So heißt es in einer E-Mail von Irene Schillinger an ein ehemaliges Betriebsratsmitglied: „Wenn Sie glauben, mit diesem Gremium mir gegenüber „mehr Durchsetzungsstärke“ zu haben, werden Sie enttäuscht sein. (…) Die Vision der Swing Kitchen ist ein konstruktives, ehrliches, offenes und respektvolles Miteinander, diesen Weg haben Sie leider verlassen.“
Im Mai kam es sogar zu unterschwelligen Klagsdrohungen. Schillinger bestellte ein damaliges Betriebsratsmitglied zum Gespräch: „Nimm bitte deinen Store-Schlüssel mit, denn ich habe mit dir auch etwas zu besprechen.“ Die betroffene Mitarbeiterin befürchtete aufgrund dieser Aussage, dass eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses drohen könnte, und wollte deshalb weitere Betriebsratsmitglieder hinzuziehen. Auf diesen Wunsch erwiderte Schillinger, der Betriebsrat habe „kein Recht, sich hier hinein zu reklamieren.“
Früh und späte Store-Schließungen als Zankapfel
Das anschließende Gespräch beschreibt das ehemalige Betriebsratsmitglied als auf zwei Stunden angelegtes, „manipulatives Verhör“. Dabei sei erfolglos versucht worden, der betroffenen Person schweres Fehlverhalten am Arbeitsplatz anzuhängen. “Mir wurde vorgeworfen, den Store zu spät abgeschlossen zu haben. Das konnte ich aber entkräften, da ich durch einen SMS-Verkehr nachweisen konnte, dass die Restaurantleiterin den Schlüssel bei sich daheim vergessen hatte.”
Es blieb nicht bei diesem Vorwurf. Im Juni 2023 wurde dasselbe Betriebsratsmitglied durch die Geschäftsführung vom Dienst freigestellt. Dieses Mal ging es um den Vorwurf, den Store an einem Tag zu früh für Kund:innen geschlossen zu haben. Die Betroffene rechtfertigt das mit einem technischen Gebrechen im Store, das Mitarbeiter:innen und Kund:innen gefährdet hätte: “Es gab einen Stromausfall. Es lagen Verlängerungskabel herum und Techniker haben in der Küche gearbeitet. Das hat sowohl die Sicherheit der damals sehr unerfahrenen Crew als auch die Hygiene gefährdet”, sagt sie.
Kündigung statt Rechtsstreit
Swing Kitchen sah hingegen den Tatbestand der “Untreue im Dienst” verwirklicht. Die Sache ging vor das Arbeits- und Sozialgericht. Es kam jedoch zu keinem Verfahren. Die Sache endete im August mit einer einvernehmlichen Kündigung. “Der Betriebsrat hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst, und mein besonderer Kündigungsschutz war damit hinfällig. Ich habe keine Zukunft mehr für mich in dem Betrieb gesehen”, so das betroffene Mitglied. Insgesamt hat dieser Swing Kitchen Betriebsrat somit nur sechs Monate durchgehalten.
Für den Gewerkschafter Albert Kyncl sind all diese Vorfälle Teil von Mobbingmethoden. “Damit wollte die Geschäftsführung die Arbeit des Betriebsrates erschweren”, sagt er. “Wir glauben außerdem, dass der Geschäftsführung Informationen aus Betriebsversammlungen zugetragen wurden”, sagt Kyncl. All dies bestreitet Irene Schillinger vehement, es handele sich um haltlose Unterstellungen. “Repressionen gegen Personen, die die Betriebsratsgründung unterstützt haben, hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Auch wurden niemals Vorwürfe gegen Teile der Crew oder Betriebsratsmitglieder konstruiert. Wo es diese gab, waren sie immer klar belegbar.” Außerdem richtet sie aus: “Gegen falsche Behauptungen, üble Nachrede, sowie ruf- und kreditschädliche Vorhaltungen werden wir uns rechtlich wehren.”
Aktuelle Vorwürfe nach weiterer Betriebsratsgründung
Ziemlich genau ein Jahr, nachdem dieser letzte Betriebsrat bei Swing Kitchen aufgegeben hatte, versuchte C. dasselbe in der Filiale nahe der Uni Wien. Er kennt auch die in diesem Artikel geschilderten Erfahrungen. “Ich bin in Kontakt mit den ehemaligen Betriebsratsmitgliedern. Insofern weiß ich auch, worauf wir uns eingelassen haben, als wir in unserer eigenen Filiale zur Betriebsratswahl geschritten sind.”
Tatsächlich sind die Erzählungen des im Jahr 2024 neu gewählten Swing Kitchen Betriebsrates fast identisch mit jenen aus dem Jahr 2023 in der anderen Filiale: „Wir wollten den Betriebsrat gründen, weil es immer wieder verhindert worden ist. Und weil wir immer hingehalten werden, wenn wir Verbesserungen fordern.” Wegen der vielen Wechsel im Personal und des häufigen Stresses hätte die Belegschaft sich mehr Mitsprache gewünscht. “Viele fühlen sich ausgebrannt nach Schichtende.”
Kündigungen gleich nach Wahl
Den Abmahnungen zum Trotz wurden C. und seine Kollegin in den Betriebsrat der Filiale gewählt. Sie hatten sofort viel zu tun. Drei Tage nach der Gründung sei der neu gewählte Betriebsrat über eine geplante Kündigung in Kenntnis gesetzt worden, gefolgt von der Ankündigung einer weiteren Kündigung nur kurze Zeit später, schildert C..
„Normalerweise gab es vor drohenden Kündigungen immer Gespräche mit den betroffenen Kolleg:innen, um sie zu verhindern. Dieses Mal nicht.” Die Betroffenen seien dem Betriebsrat nahe gestanden. Seither gehe die Sorge vor weiteren Kündigungen um. “Es setzt den Kolleg:innen emotional und psychisch sehr zu“, so C.
Wiederkehrende Streitpunkte
Andere Filiale, anderer Betriebsrat, anderes Jahr, selbes Problem? Auch Maggale und Kyncl von der VIDA erkennen “immer noch das gleiche” Verhalten und “dieselbe Missgunst” des Unternehmens. Auch vor der Gründung des “ersten” Betriebsrats 2023 sei es kaum zu Kündigungen gekommen, erzählt ein ehemaliges Betriebsrats-Mitglied. Danach seien Kündigungsgründe oder Abmahnungen immer unberechenbarer und konstruierter geworden.
Irene Schillinger widerspricht all diesen Eindrücken: “Unsere Praxis mit Kündigungen hat sich nicht verändert. In vielen Fällen suchen wir bei Fehlverhalten das Gespräch. Manchmal ist das Fehlverhalten beziehungsweise die Dienstpflichtverletzung aber so schwer, oder so häufig, oder so vielfältig, dass wir ein Gespräch als nicht zielführend erachten.” Die Einschätzung darüber liege bei der Restaurantleitung, die diese unmittelbar mit den Beschäftigten zusammenarbeite. Den Vorwurf konstruierter und unberechenbarer Kündigungen oder Abmahnungen weist sie “in aller Entschiedenheit zurück. Wer derartiges behauptet, wird den Wahrheitsbeweis antreten müssen,” so Schillinger schriftlich.
Unhygienische Fotos
Im Mai 2024 kam es zum nächsten Streitpunkt. Betroffenen Filiale seien ohne Vorankündigung „Memes, Fotos und Zeichnungen aus dem Arbeitsalltag“ aus einem für Gäste nicht einsehbaren und nicht zugänglichen Bereich entfernt worden. Eine direkte Parallele zum Vorgehen gegen den damaligen Betriebsrat im Jahr 2023. Die Geschäftsführung begründete das mit hygienischen Gründen. Laut Betriebsratsangaben sei aber auffällig, dass die Fotos über Jahre hinweg kein Problem gewesen seien – bis kurz nach der Betriebsratsgründung.
Deshalb vermuten derzeitige und ehemalige Betriebsrät:innen hier ein Muster der Schikane gegen Belegschaften, die einen Betriebsrat gegründet haben. Diese Vorfälle hätten bereits Folgen, sagt eben dieser Betriebsrat: „Mit Ende Juni haben drei weitere Mitarbeiter:innen gekündigt, weil sie das Vorgehen der Geschäftsführung sehr unfair finden. Die teils subtilen Gängelungsmethoden der vergangenen Monate zeigen bei aller Solidarität auch Wirkung. Es ist zermürbend für viele.“ Irene Schillinger bestreitet jeden Gängelungsvorwurf.
Stärkere Rechte und bessere Unterstützung gegen Zermürbung gefordert
Der ÖGB fordert gerichtliche Strafen, wenn es zu Ver- oder Behinderungen von Betriebsratswahlen kommt. Methoden, wie sie hier dem Unternehmen Swing Kitchen vorgeworfen werden, sieht man auch innerhalb der Vida mit zunehmender Besorgnis. Die ehemaligen Betriebsrät:innen bei Swing Kitchen wünschen sich von der Gewerkschaft mehr Schutz für Betriebsrät:innen vor Mobbing – auch bei nicht-rechtlichen Problemen. Sie meinen, es gäbe viele Möglichkeiten, Betriebsräte fertig zu machen – nur manche davon betreffen das Recht.
Irene Schillinger bestreitet wohlgemerkt, dass sie jemals eine Betriebsratswahl behindert habe. Die Konflikte mit der Belegschaft legen aber nahe, dass es um die „familiäre Atmosphäre“ in ihrer veganen Burgerkette besser stehen könne.
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