Dachschaden und Abzocke: Wie du dich gegen dubiose Hausbesitzer:innen wehrst
In manchen Altbau-Häusern in Wien brauchen Mieter:innen starke Nerven. In einem Haus in Wien Landstraße leiden Bewohner:innen seit Anfang 2024 unter immer schlimmeren Wohnbedingungen. Bauarbeiten werden begonnen, Dreck und Schutt sammelt sich auf dem Hof. MOMENT.at konnte sich mehrfach ein Bild davon machen.
Bewohner:innen berichten von Arbeitern, die Türen zu leeren Nachbarwohnungen aufbrechen und Drohungen. „Die Arbeiter standen vor der Tür. Ich habe sie gefragt: Was macht ihr da?“, berichtet eine Mieterin. „Dann kamen sie mit Schraubenzieher in der Hand auf uns zu und bedrohten uns“, sagt sie und zeigt ein Video der Szene, die sie und ihr Mann aufgenommen haben.
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Es sei nicht die einzige bedrohliche Situation gewesen. Sie ging zur Polizei. „Doch die haben gesagt, sie können nicht viel tun, wenn es nur Drohungen sind“, sagt die Frau. Ein anderer Bewohner des Hauses schickt MOMENT.at im Juni ein Video, in dem zu sehen ist, wie Ratten durch den Hof und das Haus jagen. „Die Hausverwaltung macht nichts, wir sind schon sehr verzweifelt“, schreibt er dazu. In die vorher aufgebrochenen Wohnungen im Haus seien vielköpfige Familien einquartiert worden.
Mieterschutzvereine bieten Hilfe an – gegen Gebühr
Für Petra Egger von der Mieter-Interessens-Gemeinschaft Österreichs (MIG) sind das Alarmsignale. „Wenn ich neue Mieter reinbringe, dann brauche ich normalerweise nicht die Türen aufbrechen. Dann habe ich die Schlüssel“, sagt sie zu MOMENT.at. Die MIG ist ein Verein, der sich für Mieter:innen einsetzt, wenn sie Probleme mit ihren Vermieter:innen bekommen. Wem geholfen werden soll, muss aber auch Mitglied in dem gemeinnützigen Verein sein.
Egger kennt das Haus bereits seit Jahren – und zahlreiche weitere. „Wir bemerken, dass einige Häuser von ihren Besitzern sehr vernachlässigt werden – ob bewusst oder unbewusst. Das ist ein sehr großes Phänomen“, sagt sie. Im Haus in Wien Landstraße etwa wurden plötzlich Bauarbeiten gestartet.
Normal laufen diese aber nicht ab. „Die sind nachts da und am Wochenende“, sagt eine Mieterin. „Sanierungsarbeiten bestehen aus Wohnungen ausräumen und Schutt im Hof verteilen.“ Rund um den Jahreswechsel sei plötzlich ihre Wohnung überschwemmt gewesen. Vorher hätten Arbeiter in der Wohnung darüber die Böden und den alten Kachelofen rausgerissen. Drei Jahre sei ihre Therme kaputt gewesen. Erst in diesem Frühjahr wurde sie ersetzt.
„In der Wohnung der Mieterin war es schon länger kalt“, sagt Egger. Derzeit laufe ein Verfahren, wegen der Therme und anderer Schäden in der Wohnung. Aber: „Man weiß, wie lange sowas immer dauert“, sagt sie. „Ich hoffe, das ist 2027 abgeschlossen.“ Wer gegen fragwürdige Methoden von Besitzer:innen und Vernachlässigung des Hauses vorgehen möchte, brauche „gutes Sitzfleisch“.
Oder muss erstmal überhaupt wissen, wo er sich hinwenden kann. MOMENT.at berichtet immer wieder über sogenannte Problemhäuser, Horrorhäuser oder Schrotthäuser. Uns erreichen viele Zuschriften von Personen, die ähnliches erleben müssen. In einem E-Mail schildert der Bewohner eines Mietshauses in Wien Leopoldstadt Mitte Mai seine Situation und bittet: „Vielleicht haben Sie einen Tipp für mich, wie ich die Behörden auf dieses Gebäude hinweisen kann.“
MieterHilfe und Arbeiterkammer beraten
Tatsächlich gibt es einige Behörden und Einrichtungen in Wien, die beraten und einschreiten können, wenn Mieter:innen von ihren Hausbesitzer:innen unter Druck gesetzt werden. Oder wenn Bauarbeiten nicht weitergehen, das Gebäude vernachlässigt wird und Rechnungen zu hoch sind. Niederschwellig und kostenlos sind die Beratungsangebote der MieterHilfe der Stadt Wien und der Arbeiterkammer.
Die MieterHilfe überprüft etwa, ob Betriebskosten korrekt abgerechnet worden sind. Dazu bietet die Stadt Wien auf ihrer Website einen Rechner an, mit dem online gecheckt werden kann, ob alles korrekt abgerechnet worden ist. Fallen Ungereimtheiten auf und gelingt es Mieter:innen nicht, sich mit Vermietung und Hausverwaltung zu einigen, empfehlen MieterHilfe und Stadt Wien den Gang zur Schlichtungsstelle für wohnrechtliche Angelegenheiten.
Verfahren bei der Schlichtungsstelle
Die Behörde sitzt in der Muthgasse in Wien Döbling. Hier können Mieter:innen zahlreiche Anträge stellen, etwa auf Überprüfung der Zulässigkeit von Betriebskosten oder die Durchführung notwendiger Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten. Verfahren bei der Schlichtungsstelle ähneln denen bei Gerichten. Anträge, Verfahren und möglicherweise notwendige Gutachten durch Amtssachverständige sind kostenlos. Wer anwaltliche Hilfe in Anspruch nimmt, muss das allerdings selbst bezahlen. Die Urteile der Schlichtungsstelle sind rechtskräftige Exekutionstitel.
So geschehen ist das etwa in einem Haus in der Schleifgasse in Wien Floridsdorf. Als ein neuer Besitzer das Haus im Jahr 2019 übernahm, änderte sich für die Mieter:innen alles. Sie seien vom neuen Besitzer bedroht worden. Eine Mieterin erhielt eine Räumungsklage, die später fallengelassen wurde. Das Dach wurde geöffnet, Wasser drang ins Haus, Keller wurden verwüstet, Geflüchtete in leerstehende Wohnungen einquartiert – MOMENT.at berichtete darüber.
Und: Die Betriebskosten stiegen exorbitant. Für die Reinigung stellte der Hausbesitzer jährlich zuletzt 9996,96 in Rechnung. Vor der Übernahme waren dafür noch rund 3.650 Euro fällig gewesen. Für die Reinigung wurde eine neue Firma beauftragt, die Mitgliedern der Familie des Hausbesitzers gehörte. Gereinigt wurde das Gebäude allerdings kaum mehr, stattdessen stapelte sich Schutt im Innenhof.
Die Bewohner:innen stellten Anträge bei der Schlichtungsstelle. Sie bestritten die Höhe der Reinigungskosten und weitere Posten auf den Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2020 bis 2022. Sie bekamen Recht. Doch: Hausbesitzer und Hausverwaltung weigerten sich, die Betriebskosten neu und korrekt zu berechnen. Eine Rückerstattung gab es nicht.
Nächste Instanz: Klage vor dem Bezirksgericht
Also gingen die Bewohner:innen einen Schritt weiter. Sie reichten Klage beim Bezirksgericht Floridsdorf ein. Das urteilte im Frühjahr dieses Jahres genauso wie die Schlichtungsstelle zuvor. Die Betriebskosten seien unzulässig verrechnet worden. Das Gericht bemängelte, dass sich der Antragsgegner – also der Hausbesitzer – nicht am Verfahren bei der Schlichtungsstelle beteiligt hatte.
Erst im Verfahren vor Gericht legte er Dokumente vor, so zum Beispiel Rechnungen der Reinigungsfirma. “Die Gründe für die Modifikation der Rechnungssumme sind nicht feststellbar”, schreibt das Gericht in einem von mehreren Beschlüssen. Auch zu weiteren verrechneten Leistungen hieß es: “Die Ordnungsmäßigkeit und Vollständigkeit der im Rahmen der Hausbetreuung verrechneten Leistungen und der Angemessenheit der dafür verzeichneten Betriebskosten war nicht feststellbar.”
Nur: Ihr Geld erhielten sie bisher nicht zurück von Hausverwaltung oder Besitzer. Das Unternehmen ist inzwischen insolvent. In dieser Woche soll das Haus zwangsversteigert werden, nachdem eine erste Zwangsversteigerung im Februar kurz vor dem Termin abgesagt wurde.
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Schnelle Hilfe von Gebietsbetreuung und Gruppe für Sofortmaßnahmen
Im Gerichtsbeschluss hieß es auch, die vernachlässigte Reinigung des Gebäudes sei erst nach “Urgenz der Mieter bei der Gebietsbetreuung und Aufforderung der Hausverwaltung durch eben diese” erneut vorgenommen worden. Die Wiener Gebietsbetreuung ist eine weitere Einrichtung der Stadt, an die sich Mieter:innen wenden können, wenn es in ihrem Haus Probleme gibt. Getragen wird sie von der Magistratsabteilung 25 für Technische Stadterneuerung.
Doch was tun, wenn es akut wird? Wenn etwa bei einem Regenguss Wasser über das Dach ins Haus eindringt, weil Hausbesitzer:innen sich nicht darum kümmern. So geschehen in einem Haus in der Flurschützstraße in Wien Meidling im März dieses Jahres. MOMENT.at berichtete darüber, wie dort Bewohner:innen plötzlich im Dunkeln und Kalten saßen. Hier rückte nicht nur die Feuerwehr an, sondern auch die Gruppe für Sofortmaßnahmen der Stadt Wien.
Und die machte in der Folge offenbar Druck. “Die elektrische Anlage wurde erneuert, Beheizbarkeit soll vorübergehend mit Elektro-Heizstrahlern erfolgen, Warmwasserboiler installiert werden”, sagte Stephan Grundei, Sprecher im Büro der Stadträtin für Wohnen und Bauen, Kathrin Gaál, zu MOMENT.at. Im Haus werde nun engmaschig kontrolliert, ob die Arbeiten abgeschlossen sind. Die Vertreterin des Hausbesitzers zeige sich inzwischen “sehr kooperativ”, so Grundei.
Baupolizei schreitet ein bei Gefahr für die Sicherheit
Das war vorher, und bevor MOMENT.at über den Fall berichtete, nicht so. Denn das Haus war bereits bekannt: nämlich bei der Baupolizei, der Magistratsabteilung 37 der Stadt Wien. Diese nimmt jährlich rund 4.000 Anzeigen auf über Missstände in Häusern, sagte deren Leiter Gerhard Cech im Gespräch mit MOMENT.at.
Die Baupolizei könne aber nur punktuell tätig werden. “Wir sind beschränkt auf mögliche Gefährdungen”, sagt Cech. Wenn etwa der Türstock im Eingang droht herabzufallen, wenn im Rahmen von Bauarbeiten Stolperfallen entstehen, wenn Teile der Fassade auf den Gehsteig fallen. “Wir können jetzt nicht sagen, das Haus muss insgesamt instand gesetzt werden”, sagt Cech.
Da braucht es dann mehr: Gerichtlich verfügte Ersatzvornahmen, deren Kosten den Besitzer:innen in Rechnung gestellt werden, und am Ende die Zwangsverwaltung von Gebäuden. Im Fall der Schleifgasse in Wien Floridsdorf wurden einige Mieter:innen vor Gericht von Juristen der Mietervereinigung Österreichs vertreten. Sie ist ein weiterer Verein wie die Mieter-Interessens-Vereinigung Österreich und anderer wie Mieterfreunde Österreich oder der Mieterschutzverband.
Letzter Schritt: Zwangsverwaltung beantragen und durchsetzen
Für Martin Ucik, Sprecher der Mietervereinigung, enden viele Verfahren ernüchternd. ”Manchmal bringt es nichts, weil es ins Leere geht”, sagt er zu MOMENT.at. Verfahren dauerten jahrelang. “Und in der Zwischenzeit passiert ja schon viel und geht viel kaputt im Haus.” Dann könne man noch so viele Gutachten bestellen oder Anträge schicken. “Wenn die nichts machen, dann muss es irgendwann zur Zwangsverwaltung kommen und die geht aber nicht so einfach.”
“Es ist wichtig, dass das öfters geschieht mit der Zwangsverwaltung, dass da nicht jeder machen kann, was er will in der Sache.” Im Mai setzte ein Bewohner eines Hauses am Landstraßer Gürtel, der von der Mietervereinigung vertreten wurde, die Zwangsverwaltung für das Haus durch. Nach jahrelangem Kampf um den Erhalt des Gründerzeithauses, das schon 2017 Thema in Medien war.
Derzeit warte die Mietervereinigung noch ab, ob die Antragsgegner:innen noch Berufung einlegen. Erst dann könne es losgehen. Das Gericht soll dann eine:n Zwangsverwalter:in bestellen. Die kann dann notwendige Reparaturmaßnahmen in Auftrag geben. Die Kosten dafür müssen die Hauseigentümer:innen tragen.
Krtik: Die Verfahren dauern zu lange
Die Zwangsverwalter:innen können auch die Mieten einheben. Besitzer:innen, die ihre Häuser verkommen lassen haben, könnten keine Einnahmen mehr erzielen. “Das schmerzt die Unternehmen”, sagt Christian Bartok, Leiter der MieterHilfe der Stadt Wien. Auch die Stadt geht seit vergangenen Herbst in Offensive mit Zwangsverwaltungen. Bei zwölf Häusern wurden Verfahren eingeleitet, die in einer Zwangsverwaltung enden können. In einem läuft sie bereits. MOMENT.at berichtete vor einigen Wochen, was dort seitdem passiert ist. In einem anderen Haus, über das ebenfalls die Zwangsverwaltung verhängt wurde, hat der Hausbesitzer Rekurs eingelegt. Der Ausgang: noch offen.
Für Martin Ucik und viele weitere Gesprächspartner:innen von MOMENT.at und Mieter:innen in verwahrlosten Gebäuden ist das ein Unding: “Die Prozedur, bis es zu dem kommt, ist sehr langwierig”, sagt Ucik. Und: Wenn die Leute alle Rechtsmittel ausschöpfen und jedes Mal die Zeit verstreicht, bis dann ein neues Urteil kommt, das dauert extrem lange.”
Selbst einstweilige Verfügungen seien wieder aufgehoben worden. “Die Mühlen der Justiz sind schön und gut, aber sie mahlen sehr langsam”, sagt Ucik. Und auf der anderen Seite passiere in der Zwischenzeit schon sehr viel. “Was ist, wenn das Dach plötzlich ein Loch hat? Das Wasser wartet nicht auf eine gerichtliche Entscheidung.“
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