Green Deal der EU: Gut oder nur gut gemeint?
Das ist die große Überschrift unter der von der Leyen am Mittwoch im Brüsseler EU-Parlament ihren Plan vorstellte. Der sei Europas „Mann auf dem Mond“-Moment, sagte sie. Wer will, kann das auf die epochale Bedeutung des Plans beziehen. Oder auch darauf, wie mühselig und langwierig es wohl werden wird, bis sich alle EU-Mitgliedsstaaten auf konkrete Maßnahmen einigen.
Denn an denen fehlt es jetzt noch. Dafür steckt sich die EU zunächst ein ambitionierteres Klimaziel. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß um 50 bis 55 Prozent reduziert werden. Bisher lautete die Zielmarke, um 40 Prozent weniger des Treibhausgases auszustoßen im Vergleich zum Jahr 1990. Im März nächsten Jahres soll ein europäisches „Klimagesetz“ vorgeschlagen werden, im Sommer ein „umfassender Plan“ stehen, wie die Ziele erreicht werden sollen.
Nachhaltige Mobilität ja, aber leider erst ab 2021
Wo angesetzt werden soll, darüber sickerte schon in den vergangenen Tagen einiges durch. Der europäische Emissionshandel soll auf den Schiffsverkehr ausgeweitet werden, der Flugverkehr hier weniger Gratis-Zertifikate erhalten. Ein CO2-Zoll für importierte Waren soll kommen. Die EU will mindestens ein Viertel des langfristigen Budgets in Klimaschutz stecken. Schärfere Abgasnormen für Autos sollen diskutiert werden. Überhaupt soll es nachhaltige und „smarte“ Mobilität geben – aber leider erst im Jahr 2021 einen echten Plan dafür.
Bisher hat sich immer gezeigt: Das wird nicht so beschlossen, sondern verwässert.
Ulla Rasmussen, Verkehrsclub Österreich
„Das geht nicht schnell genug“, sagt Ulla Rasmussen vom Verkehrsclub Österreich zu MOMENT. Aber: Der Plan sei „ein Schritt in die richtige Richtung und es ist gut, dass man erkannt hat: Der Verkehr ist das Problem!“ Man müsse jedoch abwarten, was davon am Ende übrigbleibt. „Bisher hat sich bei Vorschlägen der Kommission immer gezeigt: Die werden so nicht beschlossen, sondern verwässert.“
Als „zu wenig und zu spät“ bezeichnet Franziska Achterberg, internationale Sprecherin von Greenpeace in Brüssel den Green Deal. Die Ziele seien nicht das, was die Wissenschaft für notwendig erachtet und zu wenig ambitioniert. „Wenn weltweit die Emissionen halbiert werden müssen, kann Europa nicht nur sagen: Wir sind der Vorreiter, weil wir bis 2030 halbieren“, sagt sie zu MOMENT. Und: „Es ist auch zu spät, wenn erst im Sommer ein Plan dafür kommen soll.“
120 Milliarden Euro in sieben Jahren: Genug oder zuwenig?
Um den Kontinent und dessen Wirtschaft klimafreundlich umzubauen, will die EU jedenfalls Geld in die Hand nehmen. „120 Milliarden Euro über die nächsten sieben Jahre“ kündigte von der Leyen an, investieren zu wollen. Ob das genug oder zuwenig ist? Ein Vergleich: Mit jährlich 57 Milliarden Euro subventioniert die EU ihre Landwirtschaft. Das Geld soll vor allem in jene Regionen fließen, die besonders klimaschädliche Industrien beherbergen, wie etwa Europas Kohlereviere.
Überall heißt es nur: Wir werden mal überlegen, ob wir das machen können
Franziska Achterberg, Greenpeace
Achterberg sieht „bei den Geldspritzen das Risiko, dass die Unternehmen damit entschädigt werden, dass jetzt umgebaut wird“. Und das Geld eben nicht bei den betroffenen Bürgern und den Gemeinden ankomme. Sie kritisiert den zaghaften Ton des Papiers: „Überall heißt es nur: Wir werden mal überlegen, ob wir das machen können“, sagt die Greenpeace-Sprecherin. Großen Verschmutzern, wie der Ölindustrie und den Autoherstellern, würden „keine Einschränkungen auferlegt“.
Dabei verlange die Klimakrise, „ein fundamentales Überdenken des wirtschaftlichen Systems, das es über Jahrzehnte belohnt hat, die Luft zu verschmutzen und die Umwelt zu zerstören“, so Greenpeace. Von der Leyens Plan für die Wirtschaft Europas setzt dagegen weiter auf Wachstum, nur eben jetzt in Grün. Der Green Deal sei „unsere Wachstumsstrategie, die sich mehr um die Umwelt kümmert“, sagte sie.
Vorgeschmack aufs kommende Hickhack
Doch zumindest ihr Vizepräsident Frans Timmermans sprach gleichzeitig davon, mit dem Green Deal „unser wirtschaftliches Modell umwandeln“ zu wollen. Dieser kleine Widerspruch zwischen der EU-Chefin und ihrem Stellvertreter gibt einen Vorgeschmack darauf, wieviel in Europa noch gestritten werden wird, bis wir tatsächlich auf einen grünen Zweig kommen.